Er vereint mühelos Punk mit Techno. Doch nun möchte Moby seine melancholiche Seite zeigen

„Tröstlich“ ist normalerweise kein Adjektiv, mit dem man elektronische Musik beschreibt, doch Mobys neues Album „Play“ ist genau dies: eine Ansammlung von Tracks, in der sich pastellfarbene Keyboard-Lichtungen, melancholische Klavier-Passagen, müde äsende Grooves und mahnende, gottesfurchtige Gospel zu einem Zauberwald vereinen, der von der Traurigkeit weiß – aber auch von ihrem Ende. Und das ist Absicht: „Ich mochte die Menschen berühren, ich möchte ihnen nahekommen. Das hängt sicherlich wohl auch mit meiner Kindheit zusammen, ohne Vater und ohne Geschwister, nur mit meiner Mutter. Ich war meist allein, und mußte mich bemühen, mit anderen Kontakt zu bekommen. Später, mit X7, hörte ich Ian Curtis und fühlte mich ihm verbunden. Das gehört zu den intensivsten Erfahrung meines Lebens. So nahe möchte ich all den Menschen, die mich hören, auch kommen. Ich glaube, ich überquere da noch immer einen Abgrund.“

Falls man will, kann man über Moby alias Richard Melville Hall alles erfahren: In unzähligen Interviews hat Moby sein Leben erzählt, angefangen von seiner Kindheit mit Hippie-Eltern, die sich scheiden lassen wollten, als er noch Baby war (doch dann raste Papa mit dem Auto gegen eine Wand und der Sohn fragt sich bis heute, ob es ein Unfall war oder Absicht) bis zu seinen sexuellen Präferenzen (Analsex).

So unamerikanisch wie die Offenbarung der intimsten Ecken seiner Privatsphäre ist allgemein das Leben des 34jährigen: Der führerscheinlose, vehemente Kämpfer in puncto Tier- und Umweltschutz lebt seit zwölf Jahren vegan und ist im Vergleich zum Gros seiner Landsleute nicht nur umfassend gebildet, sondern auch aktuell gut informiert Der geschorene Kopf und die europäischen Anzüge unterstreichen diese Außenseiterrolle, die Moby mit Kultur-Outcasts wie Henry Rollins, Trent Reznor oder Courtney Love ganz bewußt teilt: „Wir sind unsichere, suchende, entgleiste Charaktere. Lese ich Interviews mit Courtney oder Lou Barlow, habe ich das Gefühl, daß wir alle auf derselben Highschool waren.“

Doch im Gegensatz zu den meist aggressiv auftretenden Kollegen ist Moby die Personifizierung eines guten Menschen. Weil er zudem in seiner Musik und seinem Leben Artefakte der Hippies (Eltern, Ideologie), des Punk und des Techno vereint, der drei wichtigsten Outcast-Jugendkulturen der letzten Jahrzehnte, ist es einfach, ihn in bestehende Weltbilder einzubauen. Gerade weil er ständig die Richtung wechseit, wird er von seiner Fangemeinde geliebt Nur in den Medien gilt er seit dem Hit „Go“ und dem Track „Thousand“ ab Techno-Star. „Es ist frustrierend, daß man mich als Dancefloor-Musiker sieht Ich mache seit 25 Jahren Musik: Punk, Pop, Klassik. Techno ist nur ein kleiner Teil meiner Interessen.“

Die neue CD bestätigt dies: Nachdem Moby in den letzten Jahren seine Neigung zu Dancefloor-Symphonik („Everything Is Wrong“) und Gitarrenmusik {„Animal Rights“) strikt getrennt hat, treffen hier die zwei Welten aufeinander, flankiert von zwei Gospelstükken. So sieht Moby auch kein Problem darin, sich demnächst als Songwriter zu versuchen: „Ich möchte gerne ein Album mit sehr leisen Songs machen.“ Als Vorbild Nick Drake? ‚Bryter Layter‘ ist eine meiner Lieblingsplatten. Sie hat ungeheure musikalische Qualitäten, aber ich achte auch, daß Nick Selbstmord beging. Er war eine wirklich tragische Figur. Das ist ein sicheres Zeichen dafür, daß er etwas Essentielles zu sagen hatte.“

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