Eric Pfeils Pop-Tagebuch: Der Trost von Klapperschlangen

Über mikrotonale Bananen und die Wiederkehr einer Regierung

Folge 136

Neulich habe ich mir beim Luftschlagzeugspielen zum neuen Album von King Gizzard & the Lizard Wizard eine Platzwunde zugezogen. Ein fulminanter Einstiegssatz, gewiss. Doch soll er keineswegs dazu dienen, mir auf billige Art die Empathie meiner Leserinnen zu sichern. Es geht ausschließlich darum, die Großartigkeit von King Gizzard & the Lizard Wizard zu feiern. Selbst wenn die Musik nicht gut wäre – ich würde die Band alleine schon aufgrund ihres Namens anbeten. Tatsächlich gefällt mir der Name so gut, dass ich ihn versuche, in möglichst vielen Alltagssätzen unterzubringen. „Sicher, lieber Craft-Beer-Verkäufer“, sage ich etwa, „das ist bestimmt ein tolles Craft-Beer, das sie mir da aufzuquatschen versuchen. Gegen die Reize einer Platte von King Gizzard & The Lizard Wizard hingegen vermag es nicht anzucraften.“

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Das neue Album von King Gizzard & The Lizard Wizard trägt den schönen Titel „Flying Microtonal Banana“. Dieser begründet sich durch das von Chef-Gizzard Stu Mackenzie exekutierte Instrument: Mackenzie hat sich für die neuen Stücke eine Gitarre bauen lassen, mittels derer er kleinere Intervalle als die in der westlichen Musik gängigen Halbtonschritte spielen kann. Aber auch für Menschen, die sich nur am Rande für Mikrotonalität interessieren, fliegen hier einige, äh, aufregende Bananen durch den Weltraum: Schon im Auftaktstück „Rattlesnakes“ gehen Can, Hawkwind und Gong gemeinsam Pilze sammeln. Später setzt es noch sondersamen Afro-Funk („Nuclear Fusion“), Italo-Western-Flirrerei („Billabong Valley“) und arabisierten Krautrock („Sleep Drifter“). King Gizzard & the Lizard Wizard sind die beste Psychedelic-Band, die frei herumläuft – und von allen Bands, die Videos gedreht haben, in denen sämtliche Mitglieder in einem Papp-Karnevalswagen durch die Gegend fahren, der einem Geier nachempfunden ist, sind sie ohnehin die tollste. Vier (!) weitere Alben sollen in diesem Jahr noch folgen.

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Erwähnte ich schon, wie grandios die neue Platte von Tilman Rossmys Band Die Regierung ist? Und das, obwohl mich der Keyboardeinsatz auf diesem Album mitunter, sagen wir: schleierhaft dünkt. Nun, jedenfalls: Die neue Platte von Die Regierung, „Raus“, ist mehr als fabelhaft, ich bin geneigt, Preise verleihen zu wollen.

Ich möchte nicht respektlos erscheinen, aber mir haben viele gemeinhin geschätzte deutsche Texter nie sonderlich viel bedeutet (außer vielleicht jenen begabten Zeitgenossen, aus deren Feder die deutschen Übersetzungen der Lieder von Charles Aznavour, Salvatore Adamo, Gilbert Bécaud oder Jean-Claude Pascal stammen). Aber der Rossmy hat mich ein ums andere Mal ganz schwer erwischt. Am heftigsten sicherlich 1994 mit „Unten“: dieses Hingeworfene, dieses Geschnodder, all die Frauennamen – das hatte ich so noch nie gehört und versöhnte in meinen rotglühenden Ohren Deutsch- und Diskursrock. Dass ich mich damals, zum Zeitpunkt des „Unten“-Erwerbs, just von einer Frau getrennt hatte (bzw. die Frau von mir), war meiner Empfänglichkeit für die trostspendende Kraft der Platte sicher zuträglich. (Einschub: Trennungen sind aber ohnehin gut fürs Musikhören: Wem keine Musik mehr ans Herz geht, der sollte sich mal wieder trennen.)

Die neue Platte ist teilweise sogar noch besser als „Unten“ (auch wenn mir Thies Mynthers Piano fehlt, das „Unten“ so leichtfüßig durchklimpert hatte). Endgültig alles vorbei war bei mir in dem Moment, als mir dämmerte, dass es sich beim Song „So wie ein Liebhaber“ um eine Coverversion von Lloyd Coles „Like Lovers Do“ handelt, dessen Text Rossmy einfach eins zu eins übersetzt hat. Ganz ehrlich: Viel besser kann es 2017 im hiesigen Pop nicht werden. Kommt am 17. März, die Platte.

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„Like Lovers Do“ hat ja auch einfach – wie fast jeder Lloyd-Cole-Song – den besten Text der Welt. Alleine für die erste Strophe sollte man täglich eine mikrotonale Banane ins Weltall schießen:

Living on juice
Eating out of tuna cans
Mobile home
With my dairy queen
Tied me a knot
She had to cut me loose
I liked her a lot
Like lovers do …

Sensationell. Der Song stammt übrigens von Coles bestem 90er-Jahre-Album „Love Story“, das etliche Songs enthält, für deren Beschreibung das früher gerne auf das lyrische Schaffen österreichischer Liedermacher angewandte Wort „bittersüß“ wiederaufgewärmt werden darf.

Erwähnte ich eigentlich schon, wie gut die neue Nikki-Lane-Platte ist? Nächstes Mal.

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