Eric Pfeils Pop-Tagebuch: Spülen mit Paul Simon und Kevin Morby

Sollte Paul Simon einst tatsächlich mit einem Salzstreuer beim Fotoshooting aufgekreuzt sein?

Folge 118

Wovon es nie genug geben kann: Bands, die sich nach Schweizer Großstädten benennen und klingen wie New Order trifft Stefanie von Monaco.

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Was es erstaunlicherweise auch 2016 immer noch viel zu viel gibt: Menschen, die es für ulkig halten, auf Violinen oder Celli AC/DC-Stücke nachzuspielen. Aber ich will heute von etwas ganz anderem erzählen.
Neulich haben in einem beliebten Social-Media-Portal Menschen darüber diskutiert, was Paul Simon eigentlich auf dem Cover dieser berühmten Simon-and-Garfunkel-Best-of in der Hand hält. Die Rede ist von der Platte, auf der Simon lange Haare und Schnauzbart trägt und Art Garfunkel aussieht wie Art Garfunkel. Einer meinte, es handele sich bei dem rätselhaften Objekt wohl um einen Salzstreuer. Einzig logische Erklärung. Das sei Unfug, warf bald ein anderer ein, das sei natürlich der Griff des Geländers, an dem die beiden auf dem Foto lehnen. Viele pflichteten daraufhin der Geländer-Erklärung bei, schien sie doch einleuchtend genug, um die seltsame Annahme, Simon sei mit einem Salzstreuer beim Fotoshooting aufgekreuzt, ratzfatz vom Tisch zu wischen. Endlich Ruhe. Aufatmen.

Es ist vielleicht nicht wichtig, aber ich habe mir das Cover vergangene Nacht länger vorgeknöpft, und mir ist etwas aufgefallen: Der Geländergriff – und es handelt sich wohl tatsächlich um einen solchen – steht in einem sonderbaren Missverhältnis zum Verlauf des übrigen Geländers, den ich mir nicht alleine durch die Perspektive des Fotografen erklären kann. Für mich gibt es nur zwei denkbare Möglichkeiten: a) Simon hat zum Fotoshooting einen eigenen Geländergriff mitgebracht. Womöglich weil ihm der dort bei einer Vorbesichtigung vorgefundene Griff missfiel. Ein solches Verhalten will aber irgendwie gar nicht zu meinem Paul-Simon-Bild passen. Für wahrscheinlicher halte ich daher Möglichkeit b): Simon hat den Knauf in einem ungeschickten Moment abgebrochen und bemüht sich nun, ihn so zu halten, als sei nichts gewesen. Garfunkel wiederum versucht im Hintergrund die Situation blöd wegzulächeln.

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Die neue Paul-Simon-Platte ist übrigens wirklich ganz wunderbar. Ein einzigartiges Songwriting ist hier zu bestaunen, ein musikgewordenes Wundern und Staunen, eine alterslose, unrockistische Stimme und eine sanft elektronisierte Produktion, die in keinem Moment übergestülpt klingt. Ich habe die Platte in den letzten Wochen unentwegt beim Spülen gehört, das ist immer ein gutes Zeichen. Beim Spülen erreicht der sittlich gefestigte Mensch meines Erachtens einen Zustand der Versenkung, für den eine alte Frau ganz schön lange Yogamatten stricken muss. Man lehnt mit der Stirn am Küchenschrank, die Hände im lauwarmen Wasser, die Gedanken wandern ins Ungefähre, und plötzlich scheinen Dinge möglich, die man noch Minuten zuvor in den Bereich des Absurden verbannt hätte. Ich habe aus diesem Grund auch schon seit Jahren keine Spülmaschine mehr. Beim Spülen höre ich Platten ganz anders. Und wenn ich sie mag, laufen sie wieder und wieder.

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Kevin Morby – Singing Saw

Auch Kevin Morbys jüngste Platte habe ich beim Spülen zuletzt immer wieder gehört, ebenso Daniel Romanos Album „Mosey“, das weitenteils klingt, als habe er vor der Aufnahme den kompletten Lee-Hazlewood-Katalog gefressen. Nicht wirklich einnisten wollte sich das jüngste Robert-Ellis-Album. Auch für Gemma Ray brauche ich wohl noch einige Spülbecken. Oder ich höre sie einfach nicht mehr. „Blood Moon“ von M Craft wiederum ist eine eigentümliche Kammermusik-in-der-Wüste-Platte, die sich – ähnlich wie Sir Richard Bishops „Freak of Araby“ (schon älter) – sehr gut für nächtliche Reinigungsarbeiten am Geschirr eignet. Ich kann das wirklich nur dringend empfehlen: Der meditative Zustand, den man beim Spülen erreicht, gelingt sonst allenfalls beim Autofahren. Aber Versenkung beim Autofahren ist bekanntlich eine heikle Angelegenheit. Anders als beim Spülen sollte beim Autofahren nicht allzu viel herumgedümpelt werden. Ich bin auch strikt dagegen, sich allzu ablenkende Retro-Gerätschaften wie Plattenspieler, Videorekorder oder Faxgeräte ins Auto einbauen zu lassen.

Gleich werde ich zu Andy Shaufs Album „The Party“ spülen. Was mir für heute mitzuteilen wichtig ist: Verkaufen Sie Ihre Spülmaschine. Hören Sie die neue Paul-Simon-Platte. Hören Sie auch viel Kevin Morby und Daniel Romano. Spülen Sie mehr und seien Sie vorsichtig mit Geländergriffen im öffentlichen Raum.

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