Willander sieht fern

Es führt kein Weg zurück: Friederike Jehns Fernsehfilm „Der Andi ist wieder da“ in der ARD

"Der Andi ist wieder da" ist so ziemlich die exemplarischste Nach-Hause-kommen-Geschichte, die man sich vorstellen kann - und Regisseurin Friederike Jehn hat sie auch so inszeniert.

Es ist eine alte Geschichte: Ein Mann ist auf dem Weg in die alte Heimat, und kurz vor dem Ziel geht ihm das Benzin aus. Er lässt das Auto stehen und zieht die metallenen Koffer hinter sich her übers Feld. Einen Tag zuvor hat Andreas Schäfer einen Wettbewerb um den Entwurf eines Museums gewonnen – und seine Arbeit verloren: Sein Entwurf kann nicht realisiert werden, weil er zu teuer ist. Andreas ist 39 und Architekt, von seinen Projekten wurde kaum etwas gebaut. Er lässt das Modell des Museumsgebäudes in Flammen aufgehen.

Die Kündigung kommt per Post, die ehemalige Geliebte will ihn zum Angestellten in ihrem Büro machen, und sofort gibt er die überteuerte und fast möbellose Wohnung in Berlin auf. Andreas fährt heim zu dem schwäbischen Dorf, aus dem er nach dem Abitur geflohen war. Im Wohnzimmer des elterlichen Hauses wird der 70. Geburtstag des Vaters Peter (Tilo Prückner) gefeiert, der den Sohn kaum beachtet; Micha (Michael Kranz) begegnet dem Bruder feindselig. Andis Mutter Hilde (Tanja Seibt) freut sich ebenso wie der geistig eingeschränkte Bruder Ecki (Emanuel Fellmer) über den unverhofften Besuch. Der Zuschauer erfährt schnell: Opa ist gestorben, die Familie erwartet das Erbe, aber man weiß nichts Genaues. Der Vater besitzt einen Baubetrieb, arbeitet immer schwarz und trinkt. Der Bruder ist daheim geblieben, schuftet in Vaters Firma und neidet dem Bruder die Freiheit: Er nennt ihn „den feinen Herrn aus Berlin“. Seine Frau Kathi (Dagmar Leesch) macht den Eindruck, als hätte sie früher etwas mit Andi gehabt. Und so war es auch. Das Ehepaar hat einen Sohn und ein Haus gebaut, die Schulden drücken, kein Urlaub seit acht Jahren und immer nur Alltag: Opas Erbe ist die einzige Hoffnung. Und Kathi langweilt sich.

Immer wieder kehrt Andi an den Ort zurück, der die Entfremdung vom Vater erklären soll: Einst gingen die Kinder mit dem Papa zum Schwimmen, er sprang vom Abhang in den See, Micha folgte – und als Andi nicht springen wollte, tat es Bruder Ecki für ihn, der lange nicht mehr auftauchte und später nicht mehr derselbe war. Die Mutter erfuhr nie, wie es passierte; sie drängt Andi, in der Provinz zu bleiben. Als ihm das Geld ausgeht, stiehlt er Bares aus einer Terrine im Wohnzimmerschrank und täuscht einen Einbruch vor; mit Kathi spricht er über die alten Zeiten, ihr Kuss wird vom Sohn beobachtet.

Der Drehbuchautor Wolfgang Stauch entfaltet das Familiendrama wie ein gelehriger Schüler von Tennessee Williams. Während der Fahrten durch die Landschaft singt Gisbert zu Knyphausen seine Lieder vom Nicht-weiter-Wissen, während niemand mehr weiter weiß, und Micha sagt, Andi solle doch die Rehe beobachten. Der Handwerker ist so eloquent wie sein Bruder. Vater Peter säuft und schweigt, kaum fährt er mit dem Auto, kommt er von der Straße ab. Einmal zertrümmert er mit der Axt die Hütte für Eckis Hund, die nach Andis Plan gefertigt wurde. Mutter leidet, wartet aufs Erbe und beschwört Vater und Sohn, endlich miteinander zu sprechen. Als sie es schließlich tun, ist es schon fast egal.

„Der Andi ist wieder da“ ist so ziemlich die exemplarischste Nach-Hause-kommen-Geschichte, die man sich vorstellen kann – und Friederike Jehn hat sie auch so inszeniert. In Berlin agiert die selbstsichere Architektin, im dörflichen Muff leiden alle an Ennui und Bitterkeit. Vielleicht ist Nicholas Reinke nicht die beste Besetzung als Andi – vielleicht ist sein Mangel an Charisma und Entschlossenheit aber auch genau richtig für diese Rolle: Die Freundin bezeichnet ihn als „Mann, der sich als Alpha-Männchen aufführt, aber nicht mal eines ist“. Andreas Schäfer ist ein Architekt, der nichts baut. Tilo Prückner gibt den verstockten Vater als Tilo-Prückner-gibt-den-verstockten-Vater, Tatja Seibt ist ein Bild von einer sorgenden Mutter. Und Dagmar Leesch als Kathi ist das Leben, das sie nicht leben will, ins Gesicht geschrieben.

Hätte Wolfgang Stauch auf den Sprung in den See verzichtet, wäre es ein wahrhaftiger Film geworden: Die Menschen sagen „Die Firma dankt!“ und „Angsthase, Pfeffernase!“, sie küssen die Jugendfreundin, sie hadern mit dem Alltag, sie hoffen auf das Erbe des Großvaters, sie kommen nie von ihrer Herkunft los. Es braucht keine Schuld, um das Elend zu dramatisieren. Denn es ist niemandes Schuld. Und das ist das Drama.

Mittwoch, 18. März, ARD, 20.15 Uhr

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