Existenzialismus light

Eigenbrötler WILL OLDHAM mag gerade sein versöhnlichstes Album aufgenommen haben, doch die Musiker hat er dabei trotzdem gequält

Will Oldham alias Bonnie „Pnnce“ Billy ist krank.Warum also nicht im Schlafgemach Audienz halten? Oldham trägt eine Art Schlafanzug, darunter ein T-Shirt mit der Aufschrift „Salvation Is Free“ und dazu knallrote Socken. Mit einer dicken Steppdecke hat es sich der Moritatensänger im Bett gemütlich gemacht. Das rechte Handgelenk ziert eine Tätowierung, die Fingernägel hat Will sich silbern lackiert, um „besser auszusehen“.

Seinem momentanen Zustand zum Trotz ist JSase Down The Road a Wills tröstlichstes, versöhnlichstes und vielleicht sogar bestes Album geworden.

Die traurigen Weisen scheinen einer positiveren Lebenseinstcllung gewichen zu sein. „Ich glaube, mir geht es tatsächlich besser als noch vor ein paar Jahren“, eröffnet der kränkelnde Songschreiber. „Ich habe – wie jeder andere Mensch auch- gute und schlechte Tage, Höhen und Tiefen.“

Bei den Aufnahmen zu „Ease Down The Road“, das in Kentucky unter der Regie seines Bruders Paul und mit Hilfe vieler Freunde und Weggefährten Oldhams eingespielt wurde, war der einstige Schlemihl jedenfalls in Höchstform: „Man kann schon sagen, dass ich die Musiker gequält habe“, grinst Oldham. „Wenn ich ein Album aufnehme, bin ich sehr konzentriert und angespannt, da kann es schon mal dicke Luft geben. Ich habe aber versucht, keine Gewalt anzuwenden, denn sonst war ich ja in den Knast gewandert – und die Platte wäre nicht fertig geworden.“

Der Darniederliegende kommt nun richtig in Fahrt und erzählt sichtlich stolz, dass Produzenten-Legende Rick Rubin sich sein Konzert in New brk ansah, begeistert war – und es so zu Oldhams gesanglicher Mitwirkung an Johnny Cashs Coverversion von Oldhams „I See A Darkness“ kam. Wahrlich eine Synergie besonderer Güte. Auch bislang mysteriöse Songtitel erklärt der Existenzialist bereitwillig: So rekurriert „You Have Cum In Your Hair, And feur Dick Is Hanging Out“ auf einen Witz Steve Albinis über einen masturbierenden Pianisten, auf „Come A Little Dog“ dagegen besingt Oldham seine jetzige Frau.

Der mittlerweile in Baltimore lebende Oldham wird auch in Zukunft immer ganz woanders sein als dort, wo wir ihn wähnen. Zum Beispiel im Kino: „Ich habe mir selbst das Versprechen gegeben, nur noch solche Filme zu schauen, die ich bereits gesehen habe. Wenn man viel unterwegs ist, vergisst man schnell, und das ist eine gute Methode, um die Erinnerung aufzufrischen. An Filme, die ich nur einmal sehe, erinnere ich mich sowieso nach kürzester Zeit schon nicht mehr.“ Um so erinnerungswürdiger wäre wohl der Film, der aus Oldhams Hobo-Leben zu machen wäre. Und Will könnte gleich sich selbst spielen.

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