fahrt ohne ende: Vom Reisen und nie Ankommen: John Watts alias FISCHER-Z hat sich an ein Konzeptalbum gewagt

Köln, Friesenplatz, Ende März. Es ist fast 20 Uhr, und John Watts nimmt Platz in einem luxuriös ausgestatteten amerikanischen Van, der ihn und seinen Manager nach Hamburg bringen wird, wo am nächsten Tag diverse Journalisten mit dem Fischer-Z-Gründer sprechen wollen. Die AI runter, vier Stunden, kein großes Ding. „Reisen ist mein Lebenselixier“, sagt Watts. „Du steigst irgendwo ein, kommst irgendwo an, und all das ist eine Quelle der Inspiration.“

Die Liebe zur Reise und zur spontanen Begegnung hat Watts jetzt zu einem Konzept verdichtet „Ether“, nach fünf Jahren und einigen solistischen Anstrengungen das erste mit Fischer-Z iiberschriebene Werk, ist unterwegs entstanden. Ausgerüstet bloß mit einem Laptop und marginaler Logistik, reiste Watts fünf Wochen lang hin und her durch Europa und ließ allerlei alte und neue Freunde auf zwei Dutzend neuen Liedern singen und spielen. Furys Christof Stein-Schneider kam zur Session in den Schuppen von Produzentjens Krause in Hannover, Phil Evans sang auf dem Dach des Greenpeace-Gebäudes in Brüssel, Danny Dziuk orgelte daheim in Berlin, und Scott Allen spielte seinen Bass in einer heruntergekommenen Bar irgendwo in Nizza. Und musste sich ungewöhnlichen Problemen stellen: Immer wenn die Frau an der Theke fand, es sei Zeit für eine neue Bestellung, zog sie den Stecker von Watts Laptop aus der Steckdose. „Keiner kannte die Songs, bis ich die Aufnahmetaste drückte“, erklärt Watts, während draußen Dortmund vorbeirauscht. „Ich wollte Musik, die außerhalb der immer gleichen, jede Kreativität verhindernden Studiosituation entsteht. Und ich wollte das Chaos der Reise.“

Rasthof Tecklenburger Land, 22 Uhr. Bei Bratkartoffeln und Buletten sinniert Watts‘ Manager Stephen Fernie, ein freundlicher Bär aus dem Nordosten Englands, zuerst über den enormen Hühnchenverbrauch des durchschnittlichen US-Amerikaners, dann über gescheiterte Ehen und das Drama aller Beteiligten. Zum ersten Mal schweigt Watts. Seit dem letztenjahr lebt er von seiner Frau und seinen fünf Kindern getrennt.

Wieder in der Bahn, stellt sich Watts der unausweichlichen Frage nach dem (Welt-) Musikprojekt 1 Giant Leap, mit dem Ex-Faithless Jamie Catto vor einigen Monaten die Ergebnisse einer ganz ähnlich motivierten Kunstreise präsentierte. Ein bisschen erschrocken über die parallele Idee sei er schon gewesen, räumt Watts ein, beeilt sich aber dann, die Unterschiede herauszustellen. „Während bei Catto die jeweiligen Partner im Zentrum des Songs stehen“, erklärt er, „ist JZther’ist in erster Linie ein Album von John Watts.“

Aber eins, auf dem Fischer Z steht. „Ich war es ehrlich leid, gegen meine Vergangenheit anzurennen“, seufzt er, „und außerdem klingt die Platte so, wie ich mir ein Fischer-Z-Album im 21. Jahrhundert vorstelle.“ Tatsächlich erinnert „Ether“ allerdings eher an Watts‘ letzte Alleingänge denn ans klassische Fischer-Z-Design. Watts singt kleine, trotz der vielen Kollaborateure sparsam arrangierte Lieder zu akustischen Gitarren und digitalen Beats und überbrückt mit gar nicht sperrigen Melodien die Distanz zum Frühwerk. „Ich muss weitermachen, Neues probieren“, sagt Watts. Es klingt fast wie eine Entschuldigung. „Stehenbleiben und zu viel Nachdenken bekommt mir nicht.“

23 Uhr, jetzt liegt Bremen an der A1. Der Journalist steigt aus, Watts fährt weiter, nach Hamburg und München und sonstwohin. Immer auf der Reise.

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