Und jetzt die Achtziger

Es gibt fraglos nur wenige Menschen, die türkisfarbene Lederhosen mit Würde zu tragen vermögen. Joan Wasser gehört auf alle Fälle dazu. So auch an diesem tristen Januartag, als wir uns in einem Hotel in Berlin-Mitte – drumherum tobt gerade die Fashion Week – zum Gespräch über ihr neues Album „The Classic“ versammeln; es ist die vierte Platte, die sie seit 2006 unter dem Namen Joan As Police Woman aufgenommen hat. Zu der sehr engen türkisfarbenen Lederhose trägt sie einen kuschelig wirkenden schwarzen Sweater. Wenn sie über ihre neuen Songs redet, untermalt sie selbst bedächtig wirkende Formulierungen mit großen Gesten und oft lautem Gelächter.

Theatralisch und extrovertiert: So waren die Männer, als deren Begleitung man Joan Wasser vor einem guten Jahrzehnt erstmals in Deutschland erleben konnte, wie etwa Rufus Wainwright und Antony Hegarty.

Sie selbst gab hingegen eher die melancholisch-authentische Songwriterin, introvertiert bis zur leichten Verpeiltheit. Auf dem Album „The Deep Field“(2011) war die Melancholie aber schon weitgehend gewichen, und „The Classic“ beginnt nun mit einem Stück namens „The Witness“, in dem Wasser von dem Gefühl singt, das eigene Leben sei nur eine Erfindung. Heißt das, dass sie nicht mehr an die Wahrhaftigkeit des Selbstausdrucks glaubt?“Nein, da geht es nicht um Kunst, sondern um mich. Als ich vor einer Weile zum ersten Mal eine echte Depression hatte, da hat meine Therapeutin mir dazu geraten, auf mich selbst wie auf eine fiktive Figur zu blicken; so könne ich mich besser verstehen, aus dem Tal kommen und neue Lebenskraft schöpfen.“

Das scheint funktioniert zu haben: Die zehn neuen Songs auf „The Classic“ sind jedenfalls so euphorisch, kraft-und humorvoll wie wenig anderes, was Joan As Police Woman bisher produziert hat. Meist beginnen sie mit dicht durchstrukturierten Teilen, um nach drei oder vier Minuten dann in offene, Jam-artig klingende, nur locker um die Leitmotive der Eingangssequenz gewirkte Passagen zu münden. Das klingt, als ob die Songs von vornherein mit Blick auf ihre Bühnenwirkung komponiert wurden.

„Genau“, sagt Joan Wasser, „ich habe nach Konzerten häufig gehört:,Wow, das hatte viel mehr Power als auf der Platte.‘ Darum haben wir das neue Album quasi live eingespielt, wir haben uns sehr viel Zeit dabei gelassen, und zum ersten Mal hatten wir keinen von außen kommenden Produzenten mehr. Stattdessen hat mein Keyboarder Tyler Wood die Rolle übernommen.“

Der tollste und lebendigste Song ist zweifellos das Titelstück „The Classic“, ein Doo-Wop-Gesang, in dem Joan Wasser das Glück einer gerade gefundenen Liebe befragt:“Could it be that you are the one?“ Als besonderer Gaststar ist der sich in seinen Streamof-consciousness-Programmen unablässig selbst ins Wort fallende Komiker Reggie Watts mit dabei. “ Eigentlich ist er kein Komiker“, sagt Wasser, „er ist ein Denker, ein Philosoph, jemand, der dich dazu bringt, deinen Blick auf die Welt zu verändern.“ In „The Classic“ übernimmt er die Rolle der Human Beatbox, er pluckert und tschuckert die Beats und schnickt die Synkopen, dass es eine reine Freude ist. Am besten gefällt mir, wie bassbefreit und dürr seine Stimme dabei klingt. Wüsste man nicht, dass es sich um Reggie Watts handelt, würde man glauben, hier sei eine sehr alte 80er-Jahre-Rhythmusmaschine im Einsatz. „Echt?“, fragt Joan Wasser nach: „Jetzt wird mir auch klar, warum schon ein paar Leute das Stück für so ,achtzigermäßig‘ erachtet haben. Das liegt an Reggies Stimme! Irre, oder? Wir wollten ein Original-50er-Jahre-Doo-Wop-Stück machen. Und jetzt: Achtziger!“

Bei der Tour wird Watts natürlich nicht dabei sein, und auch diverse andere Mitglieder des Doo-Wop-Chors kommen nicht mit. „Ganz ehrlich, ich weiß nicht, wie wir das Stück auf die Bühne bringen. Vielleicht mit Playback? Oder wir sampeln was? Oder arrangieren das vollständig um? Keine Ahnung.“ Wie stets, wird sie von Tyler Wood an den Keyboards und Parker Kindred am Schlagzeug begleitet. Bei dem letzten Auftritt, den ich sah, versuchte sie noch intensiv, Parker Kindred an den Mann beziehungsweise die Frau zu bringen: „Schaut euch meinen Drummer an, er ist noch ledig! Wollt ihr seine Telefonnummer? Ich kann euch helfen!“

Hat Kindred inzwischen eine Freundin gefunden?“Nee, irgendwie wird das bei ihm mit Beziehungen nichts. Wir haben übrigens auch zum ersten Mal einen Tour-Gitarristen dabei, der ist zwar in festen Händen, aber die Mädchen im Publikum werden ihn trotzdem lieben. So süß! Der ist echt eye-candy, der Typ!“

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