Fester Wohnsitz: Musik

Das Leben in Deutschland ist für Chris Cacavas noch ungewohnt, doch er begreift das Exil als Chance

Die Morgen-Routine geht so. „Wir gehen raus, über die Brücke, den Hügel rauf, die Straße runter, und da sind wir schon.“ Nämlich im Kindergarten von Waldbronn, wohin Chris Cacavas seinen vierjährigen Sohn bringt. Im Sommer 2002 siedelten sie ins Heimatdorf seiner Frau über, 20 Straßenbahnminuten von Karlsruhe. Das sei doch zumindest ein besserer Ort, ein Kind groß zu ziehen, als der urbane Moloch Los Angeles. Den vermisst der Mann aus Tucson natürlich trotzdem, „den Buzz, die Aufregung, einfach nur viele Leute auf der Straße zu sehen“. Von seinen anderen Kindern in den USA, den alten Freunden, Bandgefährten, Gewohnheiten und mexikanischem Essen ganz zu schweigen. Sein Plan war, „keine Erwartungen zu haben, alles hinter mir abzuschneiden. Ich wollte mich nicht gleich nach dem sehnen, was ich jetzt nicht mehr habe“. Doch der Plan hat nur zu Anfang geholfen. „Dann hat’s mich natürlich doch eingeholt.“ Als „ziemlich schwierig, auch deprimierend“ charakterisiert er sein erstes Jahr in Deutschland. „Aber es wird besser.“

Immerhin konnte Cacavas im Exil seine Jekyll & Hyde-Existenz abstreifen, die sein Leben in den USA lange ausgemacht hatte. Hier der ordentlich bezahlte Art-Department-Job beim Film und die Familie, da die Auszeit langer Tourneen. Jetzt ist alles ausbalancierter, nicht mehr so extrem. Ich habe akzeptiert, dass ich ein Musiker bin.“ Der jetzt auch nur noch mit Musik über die Runden kommen will, irgendwie. Dass die eigene dazu wohl nie reichen wird, ist ihm klar. Cacavas erzählt von der Filmschule im nahen Ludwigsburg, doch für das wohl nötige Heimstudio für die Musik dazu hat’s noch nicht gereicht Kein Geld, seine Frau arbeitet in der Altenpflege, sie kommen halbwegs klar. Sessions?, „Ich bin offen dafür, aber theoretisch nicht so gut, dass ich einfach ins Studio kommen und nach Noten spielen kann. Ich lerne den Song und spiele dann, was Chris Cacavas halt spielt.“ Er lacht, wissend, dass das nur für manche funktioniert.

Mit „Self-Taut“ legt Cacavas nun sein erstes Exil-Album vor. Ein hübsches Wortspiel: Klingt harmlos wie Autodidakt, meint aber „ein extrem angezogenes Drahtseil“. So, sagt Cacavas, habe er sich halt gefühlt im ersten Jahr. „Ich habe einfach versucht, mir diese Spannung vom Leib zu schreiben.“ Wenig verwunderlich, dass der fremdelnde Amerikaner in der Musik Zuflucht im Vertrauten suchte. Die Songtitel sprechen für sich: „Breakdown“, Sleepwalk“, „Split A Man In Two“. Das letzte Stück heißt „Walk On Water“. Wenn Jesus gerade verhindert ist – und die nächste Brücke nur morgens in Sichtweite, helfen laute Gitarren wohl am besten.

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