Franz Ferdinand: „Michael“

Die putzige Eindeutigkeit der mittlerweile wieder vergangenen „The“-Band-Ära hatte kurzzeitig was Erfrischendes. Rock reproduzierte seine eigenen Klischees: die zerschlissenen Jeans, die speckigen Lederjacken, die Chucks, die Nichtfrisuren, die schmuddeligen Drogenabhängigen, die Kasper und Poseure, die Machos mit den Models und Schauspielerinnen an der Seite. Es hatte eine Art. Aber dann, vor Kleinstpublikum an einigen denkwürdigen Abenden im November 2003: vier Typen in Pullovern, Stoffhosen, Hemden und mit gepflegten Kurzhaarfrisuren – als Franz Ferdinand erstmals beim Geburtstag des Domino-Labels in kleinen deutschen Clubs spielten, konnte man noch nicht ahnen, dass diese Band ein Jahr später zum neuen Konsensact werden sollte, bei dem alle Texte und Gitarrenriffs aus Tausenden von Kehlen mitgesungen werden würden. Wie Aliens, die zufällig in den Besitz einiger Singles des schottischen Postcard-Labels gekommen waren, wirkten sie damals. „Michael, you’re the only one I’d ever want/ Only one I’d ever want, only one I’d ever want/ Beautiful boys on a beautiful dancefloor/ Michael, you’re dancing like a beautiful dance-whore“, sang Alex Kapranos, und Nick McCarthy bewegte sich an seinem antiken Juno 60-Synthesizer, als wären Duran Duran niemals uncool gewesen. Franz Ferdinand bekannten sich wieder zur Künstlichkeit im Sinne von Roxy Music und den Sparks. Art-School-Rock mit femininer attitüde und sexueller Uneindeutigkeit löste The-Authentizität ab. Cross-Dressing und Gender-Bending mit den Scissor Sisters, Rufus Wainwright und Pedro Almodövar. Der stimmlich an Mark Bolan erinnernde Devendra Banhart erklärte einem ratlosen Interviewer, auch er bekomme eine Monatsblutung, und Tom Liwa sang: „Der Mann in mir sucht das Weite/ Dominiert von meiner weibliche Seite.“ Das Jahr der Frau – im Mann.

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