Franz Ferdinand – München, Elserhalle

Wer da war, wird es später den Enkeln erzählen: Wie die Band Franz Ferdinand München in Brand steckte

Die Spannung war mit Händen zu greifen an diesem denkwürdigen Abend. Es war das Jahr und der Monat, als die Nachricht vom Tod Marika Rökks noch frisch war und die Menschen mit angehaltenem Atem, aber rasenden Herzen die Tage bis zur Bundespräsidenten-Wahl zählten. Eine verdächtige, gut gespielte Ruhe lag über den dunklen Straßen Münchens.

Wir brauchten eine ganze Flasche Kirschwasser für den Weg zur Elserhalle, um die Köpfe frei zu kriegen. Eine Woche vorher hatten alle zu hungern begonnen, sogar Thai-Sepp, es war ein stummer Wettbewerb: Wer für Franz Ferdinand in das schmalste Sakko passte und in die kleinste Baby-Bluse, sollte wohl Sieger sein. Die Band war noch relativ unbekannt damals, und doch, als wir vor der Halle ankamen, die von außen so dunkel war wie der Rest der verdammten Stadt, da stieß ein rot blinkender Lauftext quer durch unsere Köpfe: „Tonite: Franz Ferdinand“.

In München liefen seinerzeit noch Leute herum, die behaupteten, den Ferdinand-Gitarristen McCarthy persönlich gekannt zu haben. Seinen Bruder Matthew kannten sie nicht, der mit der Indierock-Band Bambi Dexter als erster auf die Bühne kam. Danach Kamerakino, bei denen McCarthy früher gespielt haben soll. Vertreter einer gelähmten Gegenwart, doch wir sahen voraus, wie Franz Ferdinand diese Gegenwart ins Gestern kicken würden in dem Moment, als sie gemustert vor unsere Augen traten und gleich „Cheating On You“ spielten, und wir uns umdrehten und mit den Wissenden hinter uns die Matinee sangen, „how you’d have a happy life, if you did the things you like“, und Ferdinand „Van Tango“ brachten, von dem die Bösen nichts wussten, und „This Fire“, „I’m going to burn this city“. Wir sangen nicht „I“, wir sangen „we“.

Dann bekam ich einen Tritt vom Kirschwasser. Ich sah noch, wie die drei Beweglichen aufs Schlagzeugpodest stiegen und mit gezündeten Gitarren gleichzeitig absprangen. Es wurde ein Loop in meinem Kopf, immer wieder sah ich sie springen und springen, meiner Meinung nach sind sie nie unten auf dem Boden angekommen. Ein paar sagten später, sie hätten als Zugabe noch „Darts Of Pleasure“ gespielt, aber die Setlist war weg. Unauffindbar. Ich denke, eines der Mädchen hatte sie.

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