Für „„Alles Bonanza“ und „“Es geht voran“ hat CHRISTIAN ANKOWITSCH heiter- ironische Internet-Beiträge zu den 70er und 80er Jahren zusammengetragen

Auf den ersten Blick wirken die beiden Bücher von Christian „Anko“ Ankowitsch nur wenig spektakulär. Zwei Reminiszenzen an die 70er beziehungsweise 80er Jahre lassen befürchten, hier ginge es wieder einmal nur um blöde Frisuren und andere verschweigenswerte Peinlichkeiten. Gut, darum geht es auch hier gelegentlich. Dennoch hat sich der gebürtige Österreicher Ankowitsch, promovierter Geisteswissenschaftler und ehemaliger JLeben“-Ressortleiter der „Zeit“, ein ganz anderes, in sich völlig neues Konzept zu Eigen gemacht.

Rückblende in das Jahr 1996. Christian Ankowitsch hat es „mit meinem naiven Charme“ soeben geschafft, die Geschäftsführung der „Zeit“ von der Notwendigkeit eines eigenen Internetauftritts zu überzeugen. „Die Webseite wurde dann auch zunächst in einem eher kleinen Umfang realisiert. Das war ja noch zu der Zeit, in der sich das Internet gerade erst etablierte.“ „Die Zeit“ schielte mit der Online-Ausgabe wohl eher auf steigende Abozahlen und eine erhöhte Auflage, Ankowitsch wollte lieber experimentieren. In einer Ecke des „Zeit-Leben“ installierten die Macher daher ein kleines Diskussionsforum, in dem sich die Leser auf ihre Kindheit und Jugend in den 70er Jahren besannen.

Das Prinzip: Ein Nutzer schreibt („postet“) eine Erinnerung, der nächste greift diese auf, trägt sie weiter oder schreibt etwas gänzlich Neues. „Genau hier drin liegt ja auch die Faszination“, sagt Ankowitsch. „Die Schreiber rufen einander längst Vergessenes in Erinnerung. Auf diese Weise werden nach und nach immer skurrilere Schätze geborgen.“

Zwar dauerte es zunächst etwas, bis sich die kleine Debattenecke mit genügend lesenswerten Beiträgen gefüllt hatte. Irgendwann waren es aber dennoch weit über 4000 Einträge. In akribischer Feinarbeit traf Ankowitsch daraus eine wohlwollende Auswahl und ordnete diese grob nach Themen. Das erste Buch „Alles Bonanza – Ein Album der 70er Jahre“ war fertig – geschrieben von über 150 Autoren. „Das Buch ist dadurch multiperspektivisch geworden. Es ist ein Mosaik aus sehr vielen Teilen“, hebt Ankowitsch das Besondere an seinem Projekt hervor. „Bisher gab es noch keine anderen Publikationen zu diesem Thema, bei denen so viele verschiedene Stimmen Gehör bekommen haben – bis auf ein Vorbild aus Österreich, das sich ebenfalls der 70er angenommen hatte.“

Zwar fehlt dem dokumentierten Internet-Forum gelegentlich der diskursive Faden, die große Zahl der Beiträge und der durchgehend freundlich-ironische Ton gleichen dies allerdings wieder aus. Was auch für das zweite Werk „Es geht voran“ (beide: Böhlau Verlag Wien) gilt, das sich mit der gleichen liebevollen Sorgfalt um die berüchtigten 80er Jahre kümmert. Erneut stammen die vielen Meldungen aus dem mittlerweile stark erweiterten Forum, und da gibt es Diskussionen über Hörspiele („Die drei Fragezeichen“ sind okay, die „TKKG“-Bande eher weniger), Musik (Wave, NDW), Politik (Abrüstung, Demonstrationen) oder private Dramen.

Unter den Schreibern sind laut Ankowitsch Berber, Journalisten und professionelle Autoren, dagegen jedoch eher „wenige Studenten“. Zeit zum Surfen haben offensichtlich alle. Beide Bücher sind nicht nur für die üblichen Nostalgikern, sondern auch für solche Menschen bestens geeignet, die ungern das Haus verlassen, gegen kluge, unaufdringliche Dialoge aber nichts einzuwenden haben. Ankowitsch ist schon stolz auf seine kleine Insel: „Es ist nicht unbedingt leicht, im Internet einen Ort zu finden, an dem man sich auf seinem Niveau unterhalten kann. Unser Forum hat daher auch eine hohe soziale Funktion. Viele Mitglieder pflegen privaten Kontakt und fahren zu den gelegentlich stattfindenden Treffen.“

Die den Werken zugrunde liegenden Foren sind übrigens nur ein kleiner Teil eines großen Universums. Unter dem Oberbegriff,“Alles Bonanza“ firmiert ein Kosmos an Diskussionsgruppen zu den abwegigsten Themen. Aber das ist eine andere Geschichte. Wer viel Zeit mitbringt, kann sie unter der Kennung www.alles-bonanza.net-Forum nachlesen.