Für immer Newcomer

MATHIAS KOM GEnießt das Wetter in Deutschland, immer wieder reckt er seinen Kopf Richtung Sonne, die an diesem Sommertag am Berliner Mariannenplatz ausnahmsweise mal nicht mit Wärme geizt. Er könne überhaupt nicht verstehen, warum die Menschen hierzulande sich ständig beklagen. „Da wo ich herkomme, herrscht das schlechteste Wetter, das ich je erlebt habe“, sagt der kanadische Songwriter, der mit seiner Indie-Rockband The Burning Hell nun für ein ganzes Jahr von Neufundland nach Berlin gezogen ist.

Neben den klimatischen Bedingungen gibt es natürlich weitere Gründe. Einer ist sein Studium der Musikethnologie, das ihm ein Auslandsjahr ermöglicht. Für Kom ein willkommener Wechsel, hat er doch Europa inzwischen mehr ins Herz geschlossen als den nordamerikanischen Kontinent. „In der Vergangenheit habe ich stets versucht, diplomatisch mit diesem Thema umzugehen. Aber es ist einfach besser hier für Musiker. Auf Tour zu gehen, ist angenehmer. Die Wege sind kürzer, es kommen mehr Leute zu Konzerten. Und die Musikkultur wird hier mehr gewürdigt als in Kanada.“

In der alten Welt fühlten sich Kom und seine vier Mitmusiker bereits voriges Jahr so pudelwohl, dass sie gleich mal einen Weltrekord versuchten: zehn Konzerte in zehn verschiedenen Ländern innerhalb von 24 Stunden. Von dem irrwitzigen Unterfangen existiert auch eine Mini-Tour-Dokumentation, in der man The Burning Hell durch Deutschland, die Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Schweiz, Liechtenstein, Österreich, Italien und Slowenien fahren sieht. Man sieht sie in kleinen Spätkaufs oder in maroden Tanzschuppen vor ein paar Nachteulen auftreten, sieht Kom schlaftrunken auf seiner Ukulele zupfen und die Band am Ende glücklich und übermüdet auf einer kleinen slowenischen Open-Air-Bühne vor dörflicher Kulisse. „Wir hatten im Gegensatz zu unserem Fahrer ja den leichteren Job“, lacht Kom, „denn wir mussten nur raus und ein paar Songs spielen, und weiter ging’s.“

Im Sommer 2012 hatte die Band bereits ihr erst vor Kurzem erschienenes Album „People“ mit den Produzenten Norman Nitzsche (Contriva) und Ramin Bijan (Die Türen) aufgenommen. „Unser Manager sagte:’Die Fußball-Europameisterschaft steht an und niemand will zu einem Konzert gehen.'“ Die perfekte Zeit also, um sich ungestört im Studio einzuschließen und an Koms absurd komischen Skizzen zu feilen, die ebenso musikalische wie textliche Assoziationen sähen, von Silver Jews bis Bill Callahan, die aber auch an Comicerzählungen denken lassen. „Wenn ich einen Song schreibe, versuche ich mir oft vorzustellen, wie man das als Cartoon erzählen könnte.“

Kom ist aber kein Eigenbrötler, kein introvertierter Einsiedler. Er braucht seine Mitspieler: „Ich habe keine große Vorstellungskraft. Ein Song, nur von mir arrangiert, würde sehr langweilig klingen.“ Dass The Burning Hell im Exil leben und hier mitunter noch als Neuentdeckung gefeiert werden, stört ihn kein bisschen. „Das ist doch toll. So muss man keine Erwartungen erfüllen. Ich wäre gern für immer ein Newcomer.“

EXKLUSIV IN DER ROLLING STONE-APP: Auszüge aus der Band-Doku „A Burning Hell Of A Day“

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