Generation Westerwelle

Wolfgang Doebeling (Generation Rolling Stones) und Arne Willander (Generation Smiths) diskutieren den unaufhaltsamen Aufstieg des Guido

Es war ausgerechnet Maxim Biller, der die Sinnfrage stellte bei Christiansen, der sonntäglichen Konsens-Stunde. Ein Tabubruch, der freilich folgenlos blieb, weil solche Fragen nur vom Wesentlichen ablenken. Sie wissen schon: Deregulierung, Flexibilisierung, Globalisierung. Da saßen sie also, die Geber und Nehmer von Arbeit oder Aktien, die Standort-Strategen und Sozialnetzwerfer. Und eine Start-up-Tussi, die von allen Beifall erhielt, weil sie irgendetwas erfolgreicher machte als ihre Konkurrenz und somit irgendein Wachstum ankurbelte. Bravo! Applaus von allen Seiten, bis Biller fragte: Wozu das alles? Um schneller reicher zu werden? Es war wie im Lehrstück „Des Kaisers neue Kleider“, nur dass nichts passierte, als das Kind rief: Ihr seid ja nackt. Billers Denkanstoß verpuffte. In Kategorien der Moral wagt keiner mehr zu denken, denn es rechnet sich nicht.

Willkommen in Guidos Welt. Der unaufhaltsame Aufstieg des Windeis Westerwelle sagt mehr über den polithygienischen Verfall dieser Gesellschaft als jede soziologische Studie. Nun endlich hat die Freibeuter-Partei der Besserbedienten eine Galionsfigur, die vor nichts zurückschreckt. Guido plagen keinerlei Berührungsängste, er kann’s mit dem Pöbel am Ballermann so gut wie den Schnöseln des BDI, macht eine prima Figur als Bedenkenträger, wenn es um den Werteverfall geht, und nuckelt am nächsten Tag mit den Container-Deppen an der Bierflasche. Im Anbiedern unschlagbar, der Mann. Selbst der schamlose Remmidemmi-Opportunist Möllemann kann von Guido noch lernen.

Vor allem in Bundestagsdebatten. Keiner forderte so forsch Fischers Rücktritt, niemand machte so gekonnt auf Abscheu anlässlich der schrecklichen Verfehlungen Trittins, und selbst die dumpfsten CSU-Hinterbänkler erschauerten, als Westerwelle dröhnend seinen Stolz verkündete, ein Deutscher zu sein. So einen gewieften Demagogen mussten wir lange entbehren. Die Schieberbande Kohl-Kiep-Kanther-Koch? Waisenknaben. Guido ist der Mann der Stunde, locker bei Schmidt, listig bei Beckmann. Respekt.

Ganz unverzeihlich ist, dass er uns die Kampagne vorenthält, auf die wir uns so gefreut hatten: Möllemann for Bundeskanzler. Wäre doch ein Brüller gewesen. Der Bock als Gärtner. Doch Westerwelle zeigt nur Humor, wenn es ihm nützt. Politik als Kosten-Nutzen-Rechnung. Wie lügt die Werbung so treffend: Nichts ist spannender als Wirtschaft. Und die Schickse sülzt: Alles wird gut. Aber nichts wird besser. Nur lauter, bunter, blöder. Garantiert, dafür bürgt Westerwelle.

Er ist dieser Streber aus der Oberstufe, immer akkurat frisiert und gekleidet, immer aufgeweckt und aufgeräumt, in den Laberfächern einer der Besten, in Naturwissenschaften und Mathe guter Durchschnitt, in Sport ordentlich. Bloß die Akne, an der er schon seit vielen Jahren leidet, macht ihn zum Außenseiter. Dafür ist er aber Schülersprecher, sein Vater diniert mit dem Direktor, und in der Schülerzeitung schreibt er immer diese irgendwie politischen, immer ins große Gemeine ragenden Besinnungsaufsätze. Bei den Lehrern schleimt er sich ein, vorgeblich zum Besten des Leistungskurses (Geschichte), und bei der Projektwoche leitet er den ganzen Laden, während sich der Lehrer mit den Schülerinnen betrinkt.

So gefällt er besonders den Lehrerinnen, weil er schon so erwachsen wirkt und auch gut kochen kann. Das Tutorium lädt er nach Hause ein. Dann spielt er Platten von 10cc, Supertramp und Eric Clapton. Nur komisch, dass er noch keine Freundin hat.

Er tritt aber der FDP bei.

Nach dem Abitur hat er eine harte Zeit bei der Bundeswehr, kommt aber zu den Sanis, und dann beginnt sein Jura-Studium. In Vaters Anwaltskanzlei ordnet er die Akten und lernt soziale Kompetenz, vor allem aber Labern. Aus Protest gegen die Libertinage lässt er sich mal die Haare lang wachsen, doch Papa sagt nichts. Auch sonst fällt es niemandem auf Er lässt die Haare wieder abschneiden.

Die Akne bleibt. Er macht jetzt Jogging, der Kraftraum ist ihm zu machohaft, und manchmal spielt er mit Studenten Fußball in einer Turnhalle. Nach dem Duschen beteiligt er sich aber nicht an den derben Spaßen, zum Beispiel dem Schlagen mit nassen Handtüchern, wobei einer immer aus der Umkleidekabine flüchtet.

Bei den Ortsvereinstreffen der Jungen Liberalen gibt er stets den Ton an. Weil er weiß, dass nur die Alten zählen, belabert er geduldig die älteren Semester. Dann schreibt er seine Doktorarbeit. Genscher und Lambsdorff mögen den fleißigen jungen Mann. Gerhard merkt zu spät, wen er am Busen genährt hat. Möllemann ist zu schmierig.

Guido Westerwelle wird zum Parteivorsitzenden der FDP gewählt. Er isst gern Pasta.

Bloß die Akne.

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