Gesund, nicht munter

Endlich ist Ryan Adams wieder fit genug, um Songs zu schreiben. Laute Musik mag er allerdings gar nicht mehr.

Wer Ryan Adams begegnet, bleibt meist ratlos zurück. An manischen Tagen irritiert seine quirlige Fröhlichkeit, die gar nicht zu seinen wunderbar traurigen Liedern passen will. An anderen Tagen bringt er kaum zwei Sätze hintereinander heraus. Als er über sein neues Album „Ashes & Fire“ sprechen will, ist so ein Tag. Es geht ihm gerade nicht besonders gut. Im Jahr 2009 zog er sich vorübergehend zurück, vor allem wegen einer Innenohrkrankheit namens Morbus Menière. „Ich hatte so schlimme Schmerzen, und ich konnte schlecht hören. Damit musste ich erst mal klarkommen, auch meinen Lebensstil ändern. Da war mir erst mal nicht danach, Musik zu machen.“ Seit er auf Alkohol, Zigaretten und Kaffee verzichtet, hat er die Symptome größtenteils im Griff, Drogen mag er sowieso nicht mehr. Der einst notorische Allesschlucker zog vor fast drei Jahren nach Kalifornien, heiratete die Popsängerin Mandy Moore und schrieb zwei Gedichtbände. Den Rest der Zeit verbrachte er mit „working on trying to be well“, so nennt er das.

Heute hat er noch manchmal „laute Nervgeräusche“ im Ohr, aber er kann wieder spielen. Seine Band, die Cardinals, will er trotzdem nicht wiederhaben: „Ich mag einfach nicht mehr, mit der Band bin ich fertig. Ich bin lauter Musik überdrüssig. Aber ich bin sehr froh, dass ich überhaupt noch Alben machen kann.“ In nur zwölf Tagen entstand „Ashes & Fire“, sein 13. Studioalbum seit dem Solodebüt „Heartbreaker“ von 2000. Die zarten Americana-Songs wurden „hundertprozentig analog und live aufgenommen“, mit befreundeten Musikern und zwei berühmten Sängerinnen: Norah Jones und seiner Ehefrau. Sie ist bei „Come Home“ und „Kindness“ zu hören, aber Adams hängt das nicht an die große Glocke – vielleicht, weil er in Amerika hin und wieder als „Mr. Mandy Moore“ bezeichnet wurde. Wer will das schon? Die neuen Stücke findet er „friedlicher“, ansonsten möchte er sich lieber keine Gedanken darüber machen, woher seine Inspiration kommt und wie viel seine Musik mit seinem Leben zu tun hat: „Alben sind Kunst, kein Abbild der Realität“, Thema beendet. Dabei ist ihm durchaus wichtig, wie seine Kunst den Menschen gefällt – man kann fast täglich auf Facebook lesen, wie er sich über negative Rezensionen beschwert oder seine eigenen Auftritte kommentiert. „Musik ist für mich wie Kochen: Es macht Spaß, etwas zusammenzurühren, und wenn man fertig ist damit, setzt man es anderen vor und hofft, dass es ihnen zusagt. Man gibt sein Bestes, es schmeckt jedes Mal ein bisschen anders – und ganz zufrieden ist man nie.“

Allerdings war Adams in den vergangenen Jahren mit seiner Arbeit immer noch zufriedener als mit der seiner Plattenfirma. „Ich habe mehr Zeit damit verbracht, mit meinem Label zu streiten, als damit, Alben rauszubringen. Das war der Fluch meiner Zwanziger, und ich bin sehr froh, entkommen zu sein. Es ist leider schwer, im Musikgeschäft noch Leute zu finden, die Geschmack haben.“ Er lacht ein bisschen gallig, dann erzählt er, dass er all seine abgelehnten Alben mitnehmen durfte, als er Lost Highway Records verließ – und vorhat, sie Stück für Stück auf seinem eigenen Label Pax-Am herauszubringen. Natürlich bedeutet das viel Arbeit, aber Adams kann sowieso nicht stillsitzen. Er nutzt gern jede Minute des Tages, „es gibt so wenige davon“. Deshalb tourt er jetzt auch wieder – in kleinem Rahmen, ein paar Auftritte hier und da, nur mit seiner Akustikgitarre und einem Piano. „Wie ein Folk-Konzert“ stellt sich Ryan Adams das vor, und die Erklärung für die Zurückhaltung ist ganz einfach: „Ich muss auf meine Ohren aufpassen.“

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