Gitarre spielen, ohne es zu können: Julian Dawson bleibt unterwegs

Julian Dawson flog mit 16 von der Schule, hat danach Kunst studiert, ist seit 20 Jahren Musiker und hat gerade sein fünftes Solo-Album veröffentlicht. Er arbeitete mit Toots Thielemans, Richard Thompson, Chet Atkins, Jules Shear, den Roches und Nicky Hopkins – und das sind nur ein paar der großen Namen. Trotzdem heißt es: „Der Mann bleibt ein Geheimtip.“ Dawson: „Ich bin es so leid, dieses angebliche Warten auf den großen Durchbruch. Hört mich jemand, ist alles kein Problem. Doch leider gehen 50 Prozent der Energie drauf, Leute zum Zuhören zu bringen.“

So fuhr Julian 1986 auf eigene Faust nach Nashvüle, traf Tony Cotton („Country Boy“), dann Don Everly, dann Vice Gill, „das war wie eine Kette von Zufallen, und so blieb das bis heute.“

Julian wurde herumgereicht und reichte sich herum. Von Can in Köln bis jüngst nach Woodstock ins Dreamland Studio. Dawson ist Fan, kennt die Arbeiten der verehrten Kollegen, weiß respektvoll zu schmeicheln, ohne zu schmieren. „So treffe ich tolle Musiker und erhalte mir mein Abenteuergefühl. Keiner kann mir sagen, meine neue Platte klinge wie ein Dinosaurier. Das ist bullshit.“

Passend zum ewigen Reisen nannte der 40jährige Engländer sein neues Werk „Travel On“. Amerika ist seine musikalische Leidenschaft, und daher stammt auch sein ergänzendes Projekt Plainsong mit Iain Matthews. Er spricht neben Deutsch fließend Französisch, spielt neben Gitarre auch Piano und Mundharmonika – sein erstes Instrument, ein Geburtstagsgeschenk vom verstorbenen Vater. „Der hat meine Musik nie gehört. Für ihn gäbe es zeitlebens nur Grieg und Django Reinhardt.“ Ihm widmete er „You’re Listening Now“. Und dieser Song gilt auch dem verstorbenen Keyboarder Nicky Hopkins, dessen letzte Arbeit die Session mit Dawson war. Bewegende Momente. „Songs sind persönliche Statements oder Lebenskommentare. Niemand kann heute behaupten, eine neue Platte herauszubringen, sei etwas Besonderes. Da muß man schon mit Julia Roberts liiert sein oder Dolly Partons Busen haben. Meine Songs sind meine Therapie, mein Tagebuch. Nebenbei – ich kaufe in England gerade ein Haus, habe ein Haus in Frankreich, fahre ein dickes Auto, kann drei Kinder ernähren. Das ist doch Erfolg. Für die große Welt zählen aber nur die Millionen von Phil Collins. Ich existiere nicht, weil ich einen Plattenvertrag habe, sondern ich habe einen Vertrag, weil ich existiere.“

Julian Dawson schreibt seine Songs am liebsten in Hotelzimmern, da stört niemand und plant eher alle drei bis vier Jahre ein neues Album, denn er will sich Zeit lassen. „Die Songs sind das Wichtigste, und das Spielen. Ich bin ja kein überragender Gitarrist – aber der lebende Beweis, daß man Gitarre spielen kann, ohne es zu können. Das ist doch auch eine Kunst.“

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