goodbye – hello

Im Jahre 2005 haben Reunions wieder einmal Hochkonjunktur. Das gebeutelte Musikgeschäft setzt auf die Zugkraft der alten Namen - auch wenn bei den Bands nur selten alle Originalmitglieder dabei sind.

Vielleicht ist Rockmusik doch das konservativste Geschäft von allen. Während Salzletten ganz lässig zu Saltletts mutieren, die Euro- flugs zur Mastercard wird undD2 auf einmal Vodafone heißt, funktioniert das im Musikbusiness ganz anders. Hauptsache, der Name der Band bleibt – wer noch mitspielt, ist eigentlich recht egaL Der Reiz, den manche Marke ausübt, ist offensichtlich so stark, dass es gar nicht mehr auf die einzelnen Musiker ankommt Die Summe ist immer viel größer als ihre Einzelteile, da darf sich das zarte Musiker-Ego nichts vormachen. Und deshalb wird es in diesem Jahr wieder massenhaft Wiedervereinigungen, Reunion-Tourneen und so genannte Comebacks geben.

Längst spielt es keine Rolle mehr, ob ein, zwei oder drei Bandmitglieder kein Interesse haben oder – noch lästiger – tot sind. Touren wir eben trotzdem! Die Rest-Doors haben es vorgemacht. Als Keyboarder Ray Manzarek und Gitarrist Robbie Krieger noch unter ihren eigenen Namen zusammen loszogen, interessierte das nicht so wahnsinnig viele Menschen. Aber sobald „The Doors“ auf den Plakaten stand, vergrößerte sich das Publikum um ein Vielfaches. Drummer John Densmore fand das doof, weil Jim Morrison ja immerhin seit mehr als 30 Jahren unter der Erde ist und Ian Astbury nun wirklich kein adäquater Ersatz, aber seine Skrupel halten die geschäftstüchtigen Ex-Kollegen nicht auf. Bald gibt es weitere Konzerte der „Doors of the 21st Century“.

Es geht also, dachten sich wohl auch Queen, die sich demnächst auf ihre erste Tournee seit Freddie Mercurys Tod 1991 begeben. Am 19. März geht es mit einem AIDS-Benefizkonzert in Südafrika los, am 28. März spielen sie in der Brixton Academy zu London, dann in Europa und den USA. Sie werden unter „Queen and Paul Rodgers“ firmieren. Bassist John Deacon hatte keine Lust, also bleiben nur Gitarrist Brian May und Schlagzeuger Roger Taylor übrig. Rodgers (Bad Company, Free) beeilte sich gleich nach Bekanntgabe der Pläne, etwas klarzustellen: „Ich versuche nicht, Freddie zu ersetzen. Ich bin als ich selbst dabei, ich spiele einfach ein paar Songs von ihnen und ein paar von mir.“ Und auch May betont: „Es wird nie dasselbe sein ohne Freddie. Aber es wird auf eine sehr spannende und unterhaltsame Weise anders sein.“ Ob das reicht? May glaubt, den Segen des Original-Sängers zu haben: „Paul Rodgers war ein richtiger Held für Freddie und ein großer Einfluss auf uns – das hört man bei unseren frühen Sachen.“

Rodgers, May und Taylor standen bei der „UK Hall Of Fame“-Zeremonie im November zum ersten Mal zusammen auf der Bühne. Da erkannte Rodgers schon, dass es nicht leicht wird: „Es ist eine riesige Herausforderung, weil Freddie ein großer; großer Frontmann war.“ Er sucht sich eben Songs aus, die auch zu ihm passen könnten – „We Will Rock You“ und „Fat Bottomed Girls“ gelten als Favoriten -, und dann plant die Band angeblich noch „Bohemian Rhapsody“ als Duett mit Freddie auf Videoleinwand. Einfallsreich? Geschmacklos? Ausverkauft werden die Konzerte jedenfalls sein.

Manchmal ist es auch die blanke Angst vorm Alter, die Bands wieder zusammentreibt Kurz vor Weihnachten gab Eric Clapton bekannt, dass es im Mai eine Reunion von Cream geben wird. Vier Konzerte spielt die Band in der Royal Albert Hall – ausgerechnet dem Ort, an dem das Trio 1968 seinen letzten Auftritt hatte. Fast 37 Jahre später rauft sich Clapton also wieder mit Bassist Jack Bruce und Schlagzeuger Ginger Baker zusammen – zum ersten Mal seit 1993, als Cream in die „Rock And Roll Hall Of Fame“ aufgenommen wurden und bei der Zeremonie zum Dank ein paar Songs zum Besten gaben. Warum jetzt die Konzerte? „Wir dachten, eines Tages, bevor es zu spät ist, könnten wir das noch mal machen“, so Clapton lakonisch. Natürlich soll es eine DVD von dem Ereignis geben, aber neue Lieder sind nicht in Planung. Atlantic-Mitbegründer Ahmet Ertegun, der die Band 1966 unter Vertrag nahm, sieht die Sache trotzdem ab „a major event in rock & roll history“ und fugt hinzu: „Besonders die jungen Fans, die nie die Chance hatten, dieses erstaunliche Trio live zu sehen, werden begeistert sein – aber auch 80-Jährige wie ich.“

Genau auf dieses breitgestreute Interesse hoffen die Wiederholungstäter. Deshalb schreiben Pete Townshend und Roger Daltrey gerade an dem ersten Album von The Who seit mehr als 23Jahren. „fVho2″werde kein Konzeptwerk, hieß Townshend schon mal vermelden, und wenn sie demnächst teuren, sind wieder Pino Palladino und Zak Starkey dabei. Dass diese Version von The Who nur aus der Hälfte der Ur-Mitglieder besteht, stört längst keinen mehr. Das System kennt man ja – von Fleetwood Mac, die auch mal auf Christine McVie verzichten, von den Rolling Stones, die seit langem ohne Bill Wyman auskommen, von den verschiedenen Modellen der Beach Boys. Man ist fast erleichtert, dass es niemals Beatles ohne John Lennon gab.

Die Mogelpackungen funktionieren – auch wenn manche Band-Wiederbelebung durchaus kritisch beäugt wird. Von Guns N‘ Roses wollen wir hier gar nicht mehr reden. Aber wer spielt außer Robert Smith eigentlich bei The Cure mit? Kennt irgendwer Musiker von Jethro Tull, die nicht lan Anderson heißen? Und wen interessieren die anderen bei Nine Inch Nails? Eigentlich weiß ja jeder, dass NIN nichts anderes ist als Trent Reznor, aber warum einen Bandnamen aufgeben, der mit grandiosen Alben wie „The Downward Spind“ assoziiert wird? Zurzeit wird Reznor von Bassist Twiggy Ramirez (Ex-Marilyn Manson) und zwei neuen Gitarristen unterstützt, das Album^W^n Teetn soll Anfang Mai erscheinen, danach wird natürlich getourt Der Plan der etwas anders gearteten Backstreet Boys sieht ähnlich aus: neues gemeinsames Album (sie sitzen schon mit dem berüchtigten Produzenten Max Martin im Studio), neue Tournee. In den drei Jahren Pause hatte es keiner der fünf Buben solo zu nennenswertem Erfolg gebracht. Nur Nick Carter reüssierte kurzzeitig als Freund von Paris Hilton.

Manche Bands sehen ihren Comeback-Versuch wenigstens mit ein bisschen Ironie. Mödey Crüe werben für ihre erste Tournee in Urbesetzung seit sechs Jahren mit dem Spruch „Better live than dead“. Tot war Bassist Nikki Sixx ja schon mal für ein paar Minuten, aber Überdosen, Faustkämpfe und Groupie-Eskapaden soll es jetzt nicht mehr geben. Der Grund, warum die Glamrocker es noch einmal miteinander versuchen, ist natürlich nicht das Geld. Ein Schuft, wer so was denkt! Nein, die „einzigartige Chemie“ ist es und vielleicht haben die lausende von Fan-Mails, die eine Reunion forderten, auch geholfen. Gitarrist Mick Mars ließ sich sogar ein künstliches Hüftgelenk einsetzen, um auf der Bühne durchzuhalten. „Früher hatten wir kaputte Nasen vom Koks, heute sind’s kaputte Hüften“, scherzt Sixx. Man wird eben nicht jünger.

Und genau das ist manchmal auch das Problem. Wenn Ende Februar das neue Judas Priest-Album „Angel Of Retribution“ erscheint, dann singt darauf endlich wieder Rob Haiford, der 1990 ausgestiegen war, weil er Heavy Metal langweilig fand. Jetzt nennt er sich wieder „The Metal God“, Gitarrist Glenn Tipton beschreibt das neue Werk als „Classic Priest“ es hat sich also nichts geändert, nur die Welt 15 Jahre sind eine lange Zeit, und man muss doch mal erwachsen werden. Mit 53.

Es gibt natürlich auch erfreulichere Wiedervereinigungen: Gang Of Four gaben gerade ein paar Konzerte in Großbritannien. Dave Allen, Hugo Burnham, Andy Gill und Jon King standen 1981 zuletzt zusammen auf der Bühne – und nahmen sich zunächst nicht allzu viel vor: „Sehr wenige neue Songs und vor allem Kram von den ersten beiden Platten“ kündigte Gill an. Ob ein Album folgt? Zwischen Franz Ferdinand und Bloc Party wäre noch Platz für die Originale. Wenn es schon mal echte Originale sind.

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