Gott ist doch kein Raver

Das traurige, grausame, unfaire Ende einer großen Feier- und Gesellschaftsutopie

In den vielen Jahren des großen Glücks auf den Straßen, in den schönsten Momenten der Schwerelosigkeit zwischen fordernden Bässen und treibenden Beats, da war die Erkenntnis bei fast jeder Loveparade eine so klare wie kollektive: Gott ist ein Raver. Nie zuvor hatten sich die Deutschen lässiger, moderner, klassenloser und optimistischer gezeigt als bei den Liebesumzügen. Kein anderer Event hat in den 90er-Jahren das Bild der schlechtgelaunten Republik weltweit schneller verändert. Am 1. Juli 1989 waren rund 150 Tänzer Dr. Mottes erstem Paraden-Aufruf zum „Worldwide Party People Day“ unter dem Motto „Friede, Freude, Eierkuchen“ gefolgt, schnell wurden es Hunderttausende, später über eine Million. Es war der Siegeszug des Techno, die Illusion von „Love, Peace & Unity“, der Traum einer „Raving Society“, die Energie hieß Euphorie, und die Kraft kam aus der Masse. Das große, selbstbewusste Bum-bum-bum made in Germany wurde zum Exportschlager, von San Francisco über Leeds bis Tel Aviv zogen die Schwesterparaden durch die Städte. Deutschland als Pop-Exportland, das hatte es so noch nicht gegeben.

So viel Eigeninitiative, so viel unsubventionierte Popkultur, so viel Erfolg – das hielten hierzulande viele nicht aus. Die Kritik war heftig, die Vorwürfe banal, es ging um Müll und angeblichen Kommerz, um den Demostatus und um die richtigen Besucher. Als den Machern aus der Szene das Geld ausging, übernahm 2006 der „McFit“-Chef Rainer Schaller die Rechte und zog mit ihnen in den Pott. Das war für viele das Ende. Doch die Massen strömten weiter, andere vielleicht, aber es blieben Hunderttausende, die in Essen und Dortmund auf den Straßen feierten. Auf den Straßen, dort also, wo die Loveparade hingehörte, nicht auf ein umzäuntes Gelände auf einem alten, abgelegenen Güterbahnhofgelände in Duisburg mit nur einem Zugang. Die Loveparade war für mehr als zwei Jahrzehnte vielleicht das friedlichste Großevent der Welt. Dass ausgerechnet dabei am 24. Juli 21 junge Menschen starben und viele hundert verletzt wurden, ist so traurig wie grausam – und unfair. Gott kann doch kein Raver sein.

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