Gunter Blank geht essen: Das gute Schwein

Nicht nur der berühmte Schinken, auch die anderen Teile des Iberischen Schweins sind – gerade zur Grillsaison – wahre Delikatessen

Seit knapp 20 Jahren betreibt Juan Ramirez in Ronda, dem malerischen und meist von Touristen überfluteten Gebirgsstädtchen in der Sierra de Málaga, seine Jamonería Granadina. Jeden Morgen steht er, ehe er um zehn Uhr seinen Laden öffnet, mindestens zwei, oft drei und mehr Stunden an seinen Ibérico-Schinken und schneidet zu, was seine Stammkunden bestellt haben.

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Das fachgerechte Schneiden des Ibérico – übrigens nicht zu verwechseln mit dem viel profaneren Serrano – hat er von seinem Vater erlernt. Inzwischen ist er längst selbst ein Meister, besitzt eine Lizenz als Ausbilder und wird gern von den Hotels zwischen Málaga und Marbella für Show-Events gebucht, bei denen er seine Schnitttechnik vor- und die Gäste in die Kunst des Hochgenusses einführt. Es wirkt spielerisch, wenn er die hauchdünnen Scheiben vom Jamón Ibérico abschneidet – aber es ist eine hohe Kunst. Nicht nur weil die Scheiben seidenpapierdünn geschnitten sein wollen, sondern auch weil der Kennerblick nötig ist, den Schinken so zu schneiden, dass jede Scheibe ein ausgewogenes Verhältnis von saftigem Fett und magerem Fleisch bekommt.

Hinterschinken der höchsten Qualitätsstufe kann bis zu 800 Euro kosten

Ein bis zu acht Kilo schwerer Hinterschinken der höchsten Qualitätsstufe „Cinco Bellotas“ (fünf Eicheln) kann im Stück erworben bis zu 800 Euro teuer sein, wobei man ganz ausgezeichnete Teile auch schon für ein Viertel des Preises bekommt. Für die haushaltsüblichen 100 Gramm zahlt man im Laden zwischen 10 und 15 Euro. „Für diesen Preis hat der Kunde das Recht, perfekte hauchdünne Scheiben zu bekommen“, sagt Juan. „Es gibt nichts Schrecklicheres als zu dick geschnittenen Schinken, dann ist das ganze Aroma zerstört.“

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Das mag sich teuer anhören, aber dank des unglaublich intensiven Geschmacks reichen für die bei Spaniern beliebte Vorspeisenplatte aus Schinken und Käse 100 Gramm locker für vier Personen. Denn am besten schmeckt der Ibérico, wenn er zwischen Zunge und Gaumen praktisch zerschmilzt und kaum Kaubewegungen nötig sind, um seinen nussigen Geschmack zu entfalten. Dieser stammt von den Eicheln, dem Hauptnahrungsmittel des Iberischen Schweins, das in den Stein- und Korkeichenwäldern Südwestspaniens gedeiht.

Römer fingen mit der Wildschwein-Domestizierung an

In der Extremadura, in der Mitte der Ibérico-Region, die sich nach Westen bis ins portugiesische Alentejo erstreckt, haben einst die Römer begonnen, die Wildschweine gerade so weit zu domestizieren, dass sie in weitläufigen Eichenhainen (Dehesas) gehalten werden konnten. Heute werden die reinrassigen Ferkel mit zwei Monaten freigelassen und streifen knapp zwei Jahre unbeschwert durch die Wälder. 40 Prozent ihres Lebendgewichts sollen sie sich in dieser Zeit ausschließlich mit Eicheln und Kräutern anfressen, ehe sie auf die Höfe kommen, wo sie die letzten Wochen nur noch mit Eicheln gefüttert werden. Nur dann bekommt der Schinken, der hernach in den Bodegas bis zu fünf Jahre an der Luft getrocknet und gereift wird, das höchste Prädikat.

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Das verdienen durchaus auch die anderen Teile des Schweins. Doch während der Schinken inzwischen auch in Deutschland bekannt und gut verbreitet ist, sind Presa, Pluma und Secreto nur wenigen ein Begriff. Schade, denn Kenner schätzen vor allem die Presa, den kugelförmigen, etwa pfundschweren Nackenkern, dessen wunderbar marmoriertes Fleisch besser schmeckt als das eher magere Filet und der sich aufgrund seines beachtlichen Fettanteils hervorragend für den Grill eignet.

Am besten grillt man sie im Stück, nachdem man sie mit Rosmarin, Thymian und Zitronenzesten mariniert und eine Viertelstunde dick mit Salz bedeckt hat ruhen lassen. Dann braucht sie nur abgeschüttelt und rundherum röstbraun angebraten zu werden und kann auf einer kühleren Stelle des Grills bis zu einer Kerntemperatur von 56 (ziemlich blutig) bis 62 Grad (fast durch) fertig gegart werden.

Andere Schinken-Geheimtipps

Auch die günstigere Pluma aus dem vorderen Rücken und der Abanico aus dem hinteren Bauch sollte man keinesfalls verschmähen. Ein Geheimtipp ist der dünne, Secreto genannte Lappen zwischen Bauch und Schulter, bei dem auch Anfänger nichts falsch machen können. Die Koteletts dagegen eignen sich wie die leckeren Bäckchen zum Braten und sanften Schmoren in der Pfanne. Ob Schinken zum Naschen oder Presa zum Grillen – nachhaltiger kann Fleischvergnügen nicht sein, denn man wird kaum ein Tier  finden, das glücklicher und gesünder heranwächst als ein Ibérico-Schwein.

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