Gunter Blank geht trinken: Silvaner – eine ganz alte Rebe

Silvaner galt lange Zeit als minderwertig. Junge Winzer wie Jens Windisch wecken sein großes Potenzial – mit wachsendem Erfolg

Schwarze High­-Tops, schwarze Cargohose, schwarzes Hoodie, schwarzes Baseballcap: Der Typ, der hinten noch den Hof abspritzt, während seine Mitarbeiter sich schon die Weinschorle schmecken lassen, sieht aus, als würde er eine Motorradwerkstatt in Kreuzberg betreiben. Doch weit gefehlt, das orangene Doppel­-W auf Hoodie und Cap weist den 35-­jährigen Jens Windisch als Chef des Mommenheimer Weinguts Wehler­-Windisch aus, als einen der rheinhessischen Jungen Wilden, von denen der Weinpapst Stuart Pigott sagt, sie seien „im Begrif , die deutsche Weinlandschaft völlig umzukrempeln“.

Später, bei einem Glas Wein, bekennt er, dass der Maschinenbau tatsächlich ein adoleszenter Flirt gewesen sei, für den er seine erste Liebe, den Weinbau, fast verlassen hätte. Die entbrannte bereits mit drei Jahren, als er nachmittags den Kindergarten schwänzte, um mit dem Vater auf dem Traktor durch die Weinberge zu fahren, und festigte sich, als er kurz nach dem Abitur probehalber seinen ersten Wein kelterte. Er hat inzwischen gegen den Rat der Eltern das Familiengut übernommen, auf Bio umgestellt und bewirtschaftet im nordöstlichen Rheinhessen auf 15 Hektar die höchstgelegenen Weinberge der Region.

Und weil seine rebellische Ader ihn immer schon dazu trieb, ungewöhnliche Dinge auszuprobieren, aber auch weil die Verhältnisse es nahelegten, baut er nicht nur Riesling und Spätburgunder an, sondern konzentriert sich mehr und mehr auf den seltenen Silvaner. „Ich konnte ja nicht die alten Reben rausreißen und alles neu pflanzen“, begründet er seinen eigenwilligen Schritt. „Außerdem gedeiht die Traube gerade in den etwas raueren Ecken ganz hervorragend.“ Seine Eltern hatten ihre Trauben jahrzehntelang an die Genossenschaft geliefert, er dagegen sah das Potenzial, ihn als Spitzenwein auszubauen und neben Riesling und Spätburgunder als typisch deutsches Gewächs auch auf dem Weltmarkt zu etablieren. Kein einfaches Unterfangen, denn noch in den Neunzigern galten halbtrockene Silvaner Kritikern als der siebte Kreis der deutschen Weinhölle.

Dabei findet sich die erste Erwähnung einer Silvanerrebe bereits am 6. April 1659 in einer Urkunde im fränkischen Castell. In Franken gelang den weit entfernten Vettern Horst und Rainer Sauer Ende der Neunziger mit dem Escherndorfer Lump und dem legendären L die erfolgreiche Wiederbelebung der Traube, und dort liegt auch nach wie vor noch das Zentrum des deutschen Silvaner­-Anbaus, während in Rheinhessen lediglich ein Dutzend Winzer Windischs Perspektive teilt. Tendenz immerhin steigend. Inzwischen kann sich Windisch über die Nachfrage nach seinen Weinen nicht beklagen.

„Wenn es hier für meine heutigen Trauben zu heiß wird, will ich vorbereitet sein. Einfach nur abwarten kann ich mir nicht leisten“

„Durch die längere Reifezeit der Traube und die den Fässern eigenen Hefen bekommt der Wein eine innere Ruhe, eine sanfte Wucht, ohne dass der Alkoholgehalt in die Höhe schießt.“ Tatsächlich sind seine Silvaner im Vergleich zu den Rieslingen eher zurückhaltend, nicht ganz so spritzig, mehr floral als fruchtig, mit mehr Körper, was sie auch zu ausgezeichneten Essensbegleitern macht. Wie die meisten Winzer ist Windisch kein Kostverächter. „Man trinkt zum Kochen ein Glas, zum Essen zwei, und weil man Lust auf mehr bekommt, kann man, weil er nicht so hochprozentig ist, auch noch eine zweite Flasche aufmachen.“

Da spricht natürlich auch der Ökonom, der seinen Wein verkaufen will, denn das Winzerdasein ist für ihn eine ganz existenzielle Dimension. „Als ich hier 2010 eingestiegen bin, war mir klar, dass das ein Lebensprojekt ist. Entweder man lebt’s oder man lässt’s bleiben.“ Dennoch fühlt er sich pudelwohl „in diesem Hamsterrad“, das ihn zwölf Stunden am Tag auf Trab hält, und er hofft, irgendwann auch seinen fünf Wochen alten Sohn Philip begeistern zu können. Auf jeden Fall hat er vorgesorgt, hat jetzt schon Reben gepflanzt, die erst in zwanzig Jahren ihren besten Wein abgeben werden. Darunter ist auch ein Weinberg mit Merlot. „Zum Experimentieren“, sagt er und verweist auf den Klimawandel „Wenn es hier für meine heutigen Trauben zu heiß wird, will ich vorbereitet sein. Einfach nur abwarten kann ich mir nicht leisten.“

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