„Hätte, hätte, Fahrradkette“: Der ESC verteidigt sein neues Punktesystem

Der Eurovision Song Contest will offenbar kein Gejammere mehr über das neue Punktesystem hören.

Noch immer sorgt der Ausgang des Eurovision Song Contest 2016 für hitzige Diskussionen – auch, weil das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der Ukraine und Russland ebenso in politischer Hinsicht spannend war. Auf der offiziellen Website des europäischen Gesangswettbewerbs ist daher nun ein Artikel zu lesen, der Kritikern des neuen Punktevergabe-Systems den Wind aus den Segeln nehmen möchte.

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Dr. Irving Wolther, studierter Sprach- und Kulturwissenschaftler und ESC-Experte, räumt darin mit einigen Klischees auf. Das Wertungssystem sei gar nicht so neu – schon seit 2009 bestimmt eine Fachjury die Hälfte der Ergebnisse mit. „Eigentlich entspricht das Wertungsverfahren dem System, das zwischen 2009 und 2013 angewendet wurde – nur dass die Punkte von Fachjury und Publikum nicht zu einer Gesamtwertung verschmelzen, sondern separat aufaddiert werden. Das Ergebnis kann dennoch sehr unterschiedlich ausfallen.“

Das neue System gab dem Publikum wieder mehr Mitspracherecht. Durch die separate Punktevergabe konnte die Jury die Zuschauermeinung nicht mehr außer Kraft setzen. Zudem habe es die politische Einflussnahme etwas abgeschwächt. Sowohl die russische als auch die ukrainische Jury habe sich naturgemäß gegenseitig schlechter bewertet als es die Zuschauer im Land taten. „Aus Sicht der Juroren ist dies verständlich: Niemand dürfte sich freiwillig der Gefahr eines Lynchmobs vor der eigenen Haustür aussetzen, wenn er dem Beitrag des verfeindeten Landes Punkte gibt, schließlich sind die Jurymitglieder namentlich bekannt.“

„Hätte, hätte, Fahrradkette“ heißt es daher in dem Artikel. „Überhaupt hat die Diskussion, welchen Sieger wir mit welchem Wertungssystem gehabt hätten, etwas von den Streitereien, die Kinder bei der Auslegung der Monopolyregeln führen – wenn ihnen das Ergebnis nicht passt, heißt es plötzlich: ‚Das spielen wir immer anders.‘ Mit der gleichen Berechtigung könnte man sich auf noch ältere Abstimmungsverfahren berufen.“

Die Redaktion habe sich deshalb einmal die Mühe gemacht, das Ergebnis entsprechend der Wertungssysteme von 1962, 1963 und 1964 durchzurechnen. „In allen drei Jahren hätte Australien den Sieg davongetragen, Russland hätte nur Platz 4 beziehungsweise 5 belegt. Frankreich dagegen wäre 1963 auf Platz 3 gelandet, 1964 auf Platz 11 und 1962 auf Platz 19.“ Deutschland hätte das alles jedoch nichts gebracht: Wir wären so oder so auf dem letzten Platz gelandet, so Dr. Irving Wolther.

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