Halt’s Maul, bleib schön!

Die Karikatur, die Anfang Februar in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ erschien, zeigte ein bärtiges Männlein und eine alte Tante, die mit Koffern aus der Tür der Justizvollzugsanstalt kommen. Er: „Ich gehe rüber in die DDR und verbringe meinen Ruhestand bei den Genossen, und du?“ Sie: „Ich fange nochmal von vorne an und mache eine Schriftsetzerlehre bei ,Twen‘ oder Jempo‘.“ Überschrift: „Sind Klar und Mohnhaupt noch eine Gefahr für die Gesellschaft?“ Der Witz wäre nur zwei Drittel so lustig, wenn es nicht wirklich Leute gäbe, die noch „DDR“ sagen, und wenn zur Zeit der Terroristen-Begnadigungsdebatte nicht überraschend eine neue „Tempo“-Ausgabe am Kiosk gelegen hätte.

Ein knappes Jahr, bevor wir „40 Jahre ’68“ feiern müssen, und wenige Monate vor dem „30 Jahre Deutscher Herbst“-Jubiläum war es allerdings das ehemalige Foto-Model Uschi Obermaier aus München, das uns am besten an die heiße Zeit erinnerte, die zwischen der Nacktarsch-Spaß-Guerilla und dem RAF-Schock gelegen haben soll. Obwohl die heute 60-Jährige mit der politischen Bewegung, als deren knackiges Symbol sie gilt, nur mal kurz im Bett war und ansonsten nicht viel zu schaffen hatte.

Alle haben mitbekommen, dass der Film „Das wilde Leben“ über Obermaiers Biografie großer Schrott ist – er wurde ja auch nur zum Anlass genommen, beispielsweise für die Plakataktion einer Illustrierten, die wie bei der RAF-Großfahndung in absolut alle Bushäuschen ein schwül-lesbisches Foto von Original-Uschi und junger Film-Uschi hängte. Jede Online-Fotogalerie hatte die historischen „Stern“- und „Twen“-Titelbilder mit der halbnackten Obermaier, aber die sahen nicht groß anders aus als die von 2007.

Als ob die sexuelle Revolution, die Uschi Obermaier um 1968 angeblich mit einem Griff in die eigene Jeans ausgelöst hat, nie stattgefunden hätte. Wie die alten Seite-3-Fotos der kleinen Ausreißerin wieder den geilen Blicken präsentiert wurden, wie die Leute all die doofen, aus tiefen Erinnerungslöchern gezogenen Drogen-Groupie-Abenteuer bestaunten und sich in Interviews banalste Sex- und Lebensratschläge verkaufen ließen („Ich muss alles im Leben ausprobieren, was mich interessiert“): Das hatte den tiefen, pilzmuffigen Geruch der so genannten alten Bundesrepublik. Als ob der Bilderwitz wahr geworden wäre – wenn wir schon ein Wirtschaftswunder und einen neuen Trend zur Bürgerlichkeit haben, vielleicht geht dann auch noch der Rest der Geschichte von vorne los.

Der arme Rainer Langhans war offenbar nicht genug damit gestraft, dass er im Film vom lächerlichen Matthias Schweighöfer gespielt wird, der mit Perücke wie Janis Joplin aussieht – Langhans musste auch noch in der „Beckmann“-Sendung öffentlich diskutieren, wer verklemmter war, Uschi oder er. Und sich den Rüffel abholen, er könne den Vater des Moderators doch nicht pauschal als Mörder betiteln, nur weil der im 2. Weltkrieg war.

Die eigentliche Botschaft, die das Obermaier-Theater hinterlässt, ist noch perfider. Weil sie nämlich sehr wohl politisch ist: Halt dich raus, bleib schön! Dass Uschi Obermaier eigenen Angaben nach zu dumm war, um Marx und Mao zu lesen, wird ihr eigenartigerweise als großer Pluspunkt angerechnet. Auch der Film kultiviert das typische Bild von den hässlichen, langweiligen APO-Laberköppen, die ihre Anti-Kapitalismus-Sprüche aufsagen, während die konkrete Uschi lieber ausgeht, frische Luft atmet und sich von Rockstars vögeln lässt. Zur Belohnung ist sie auch mit 60 noch schön und taugt bestens als Bugfigur einer unpolitischen Lebenslust – Langhans dagegen sieht ähnlich verknötert aus wie der Grüne Hans-Christian Ströbele, der als ewiger Spielverderber im Bundestag alles repräsentiert, was die Leute an linken Positionen immer so wahnsinnig nervt.

Dani Levys „Führer“-Film konnte man darauf verkürzen, dass der prügelnde Vater Hitler die Schuld am Dritten Reich trägt – so scheint uns der Obermaier-Rausch zu lehren, dass die Studentenbewegung mit ihren Folgen nur ein überdimensionales Orgasmusproblem gewesen sei. Und dass Uschi die wahre Revolution angeführt habe, weil sie in der Trambahn einen Minirock trug. 1977, als der Terror nach Deutschland kam, war sie ja längst mit ihrem maskulinen Prinzen auf Weltreise gegangen, heute wohnt sie bekanntlich im Topanga Canyon und schmiedet Schmuck, während Langhans mit seinen Haaren immer noch in Schwabing hockt und wahrscheinlich noch immer keinen hochkriegt.

Es gibt ja noch den ziemlich guten Film „Rote Sonne“ von 1969, in dem Uschi Obermeier tatsächlich ein reizvolles, schwer ideologisches Mittelding aus Terroristin und Feministin spielt. Da wird sie am Ende sehr hässlich erschossen.

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