Harvey Weinstein: Neue Jury auf dem Weg zum neuen Urteil
Zweiter Prozess gegen den Filmmogul vor dem Start. Werden die #MeToo-Fälle nun anders bewertet?
In einem länglichen Auswahlverfahren sind die zwölf Geschworenen für die Neuauflage des Prozesses gegen Filmmogul Harvey Weinstein ausgewählt worden. Im Vorfeld gab es Rücktritte und Befangenheitsanträge. Weinstein-Sprecher Juda Engelmayer bezeichnete das Procedere als „rigoros und streckenweise zermürbend“. Er hofft auf eine unvoreingenommene Einschätzung der Fakten.
Nun ist der Pool von 300 Menschen final gesiebt. Sieben Frauen und fünf Männer sind vereidigt worden, sechs Ersatzjuroren halten sich bereit. Am heutigen Mittwoch (23. April) sollen die Auftaktplädoyers im New Yorker Gericht beginnen
Weinsteins Anwaltsteam hatte bekanntlich erreicht, dass der 2020er-Schuldspruch wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung im letzten Jahr aufgrund von Verfahrensfehlern zurückgenommen werden musste.
Kapitale Schwächung der „#MeToo“-Bewegung?
Dazu führte auch die Aussagen von Frauen zu Vorwürfen, die gar nicht zur engeren Anklage gehörten. Zudem sei Weinstein im Kreuzverhör in einer „höchst nachteiligen“ und juristisch grenzwertigen Weise in die Zange genommen worden.
Weinstein hatte stets jede Schuld von sich gewiesen. In seiner Verteidigung wurde unisono behauptet, es wäre um einvernehmliche sexuelle Kontakte gegangen.
Der neuerliche Weinstein-Prozess wird vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen US-Klimas unter der Regierung von Donald Trump diskutiert. Manche Stimmen befürchten eine kapitale Schwächung der „#MeToo“-Bewegung.
So zitiert das Branchenmagazin „Hollywood Reporter“ Weinstein-Anwalt Arthur Aidala, der darauf setzt, dass sich der angebliche Klimawandel rund um #MeToo diesmal zu Gunsten seines Mandanten auswirken wird. Oder zumindest nicht gegen ihn. „Die Leute erkennen, dass die Phrase ‚Glaubt den Frauen‘ eine anti-amerikanische und unfair idiotische Aussage ist“, predigt er mit Patrioten-Pathos. „Wir sollten nicht jedem glauben, sondern mit unserem gesunden Menschenverstand feststellen, ob sie die Wahrheit sagen.“
Im Zentrum des ersten Verfahrens im Jahr 2020 standen die Vorwürfe zweier Frauen, die nun ein zweites Mal verhandelt werden: Produktionsassistentin Mimi Haleyi soll von Weinstein 2006 zum Oralsex gezwungen worden sein. Weiterhin soll er 2013 die Schauspielerin Jessica Mann vergewaltigt haben.
Verfahrensdauer von fünf Wochen?
Zu diesen Anschuldigungen bringt die Staatsanwaltschaft einen weiteren Fall offiziell vor Gericht. Eine Frau wirft Weinstein vor, sie ebenfalls 2006 zu Oralverkehr gezwungen zu haben. Bei der ersten Verhandlungsrunde wurden dieser Fall nicht berücksichtigt.
Prozessbeobachter rechnen mit einer Verfahrensdauer von fünf Wochen.
US-Boulevardmedien thematisierten sowohl Weinsteins Haftbedingungen, so sei Rikers Island aus seiner Sicht ein „Höllenloch“, als auch seinen angeschlagenen Gesundheitszustand. Herzleiden, Zungeninfektion, Diabetes führten zu einer Verlegung während der Prozessdauer ins „cosy“ Bellevue Hospital, wo er den ganzen Tag CNN schauen würde, wie die „New York Post“ spöttelte.
Sollte es im neuen New Yorker Prozess zu einem Freispruch kommen, müsste der 73-jährige gleichwohl in Haft bleiben. Im Jahr 2023 ist er in Los Angeles in einem weiteren Verfahren wegen Sexualverbrechen zu zusätzlichen 16 Jahren verurteilt worden.