He had a dream: HARRY BELAFONTE erfüllt sich mit seiner Anthologie schwarzer Musik einen Traum

Schon bezeichnend, dass die Veröffentlichung einer Anthologie schwarzer Musik mit dem Titel „The Long Road To Freedom“ einen so langen Weg zurücklegen musste. Produzent und Initiator Harry ßelafonte begann schon 1954, Kriegsgesänge, Kinderlieder, Spirituals, Minstrels, Arbeits-, Plantagen- und Gefangnisüeder für das Projekt, eine Zusammenarbeit von RCA und Reader’s Digest, zu sammeln. Von 1961 bis 1971 nahm er diese dann mit Künstlern wie Sonny Terry, Brownie McGhee, Gloria Lynne und Bessie Jones auf. Als die Aufnahmen beendet waren, ging die Kooperation zwischen Reader’s Digest und RCA gerade in die Brüche, und es fand sich niemand, der die Anthologie in vollem Umfang veröffendichen wollte. 30 Jahre später ist es jetzt aber so weit und „The Long Road To Freedom“ steht in den Läden, luxuriös ausgestattet mit 80 Songs auf fünf CDs, einer DVD mit Interviews und einem üppigen Booklet. Zum Telefon-Interview anlässlich der Europa-Veröffentlichung der Anthologie im Gebäude der Plattenfirma in New York verspätet sich Harry Belafonte – er steht im Stau.

Mit einer halbstündigen Verspätung trifft er aber ein, ist gewitzt, freundlich und komisch, plaudert locker. Angesprochen auf „The Long Road to Freedom“, sein Lebensprojekt, rutscht er näher an den Hörer: „Ich habe immer gesagt, ich warte lieber, bis wir die Aufnahmen in ihrer vollen Bandbreite veröffentlichen können, anstatt irgendwelche Kompromisse einzugehen. Ich dachte, das kann vielleicht zwei, drei Jahre dauern. Dass es schließlich mehr als 30 waren, macht nichts, ich bin sehr zufrieden damit.“

Es gehe ihm darum, der amerikanischen Geschichtäschreibung eine schwarze Perspektive zu geben, das sei heute immer noch genauso relevant wie damals, vielleicht sogar noch viel wichtiger, wenn man an die Terroranschläge vom 11. September denke. „Mein Freund Martin Luther King hat damals gesagt: ,Terrorismus ist die finale Äußerung der ungehörten Stimme‘. Es wird Zeit für die Amerikaner, ihre Stellung in der Welt zu überdenken. Die USA haben sich lange ziemlich imperial und arrogant gegenüber anderen Völkern aufgeführt – selbst im eigenen Land, wenn ich an Sklaverei und Rassismus denke.“

Die orale Tradition, in der die Anthologie stehe, und die einen wichtigen Teil schwarzen Identität ausmache, sei vor allem durch Profitgier zerstört worden.

„Nimm den HipHop, der hat seine Ursprünge auch in mündlicher Überlieferung mit sozialem Hintergrund. Im Lauf der Jahre ging das aber aufgrund der Kommerzialisierung verloren, und am Ende zählte nur noch, wie viel Gold und wie viele Babes man sich um den Hals hängen konnte.“

Er habe damals lange darüber nachgedacht, ob er für das Projekt die field recordings von John und Alan Lomax aus den 20er Jahren verwenden solle, sich aber dagegen entschieden: „Die Aufnahmen rauschten und kratzten und waren mühsam zu hören; damit hätten wir nur Experten oder generell an der Geschichte der Schwarzen Interessierte ansprechen können.“ Künstler wie Moby nutzen die Lomax-Aumahmen für ihre eigenen Zwecke, samplen sie und landen damit in den Charts. „In der Kunst geht’s halt um Veränderungen von Gegebenem. Der ursprüngliche Song ist vermutlich ein Höhlengesang. Ugah ugah ugah (lacht). Alle Songs sind Folksongs, ich habe zumindest noch niemals ein Pferd singen hören.“

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