Heim in den Wigwam

ROBBIE ROBERTSON entdeckt das Indianerblut in seinen Adern wieder

Von Achtzehn Jahre nach dem kultigen Konzertfilm „The Last Waltz“ und seinem Abschied von The Band macht der kanadische Songschreiber wieder mit einem ungewöhnlichen Projekt von sich reden: Robertsons neues Album “ The Native American“ ist der Soundtrack zu einer mehrteiligen TV-Dokumentation (in den USA zwischen dem 10. und 12. Oktober ausgestrahlt), die Geschichte, Gegenwart und Kultur der amerikanischen Ureinwohner erstmals aus deren Sicht darzustellen versucht. Robertson, der gesteht, „auf eine solche Gelegenheit lange gewartet“ zu haben, sagt: „Man hätte für diesen Job keinen Besseren finden können!“

Kein unangemessen vollmundiger Spruch, denn tatsächlich bringt Robertson besondere Voraussetzungen für diese Aufgabe mit: Als Sohn einer Mohawk-Indianerin am 5. Juli 1943 in Toronto geboren, verbrachte er als Kind sämtliche FeVorträge über meine Herkunft zu halten. Und zu Beginn meiner Solo-Karriere wollte ich meine Musik für sich selbst sprechen lassen. Es wäre mir zuwider gewesen, meine Abstammung zum PR-Gimmick herabzuwürdigen.“ Als CNN-Eigner Ted Turner ihm von seinem Vorhaben erzählte, für TBS (Turner Broadcasting Service) eine sechsstündige Dokumentation über die Kultur der Indianer zu produzieren, ergriff Robertson die Gelegenheit beim Schopf: „Es gab drei Gründe, warum ich mich für das Projekt begeisterte: Erstens, weil es nun wirklich überfällig war, daß Amerikas Ureinwohner die Dinge endlich einmal aus ihrer Sicht darstellen können – in den letzten Jahrzehnten ist unsere Geschichte sowohl von Hollywood als auch von der sogenannten seriösen Geschichtsschreibung immer wieder geklittert worden; zweitens, weil an der Serie überwiegend indianische Künstler mitwirken, und drittens, weil ich Zeit und den nötigen künstlerischen Freiraum zugesichert bekam.“ Obwohl Robertson nach eigener Einschätzung „schon von Haus aus viel weiter“ war als „jeder andere, wenn er statt meiner gefragt worden wäre“, mußte er in das Projekt umfangreiche Vorarbeiten investieren: „Ich habe mehrere tausend Stunden Tonbänder mit der Musik meiner Vorfahren gehört, bevor wir wirklich an die Arbeit gehen konnten.“

Als Schwierigkeit erwies sich ein Umstand, der auch für die verblüffend geringe Publizität indianischer Musik verantwortlich ist: „Indianische Musik ist eigentlich fast immer spirituelle Musik; das Wort ,religiös‘ möchte ich vermeiden. Und das bedeutet, daß es meist nicht erlaubt ist, sie aufzuzeichnen. Manche Stämme sehen es als Tabu an, einen Song aufzunehmen, der im Grunde das Zwiegespräch des Sängers mit seinem Schöpfer darstellt. Von daher ist es fast unmöglich, überhaupt an diese Musik heranzukommen. Wenn man das weiß, wundert man sich nicht mehr darüber, daß die indianische Musik außerhalb der Community völlig unbekannt ist, während die Musik der farbigen Amerikaner zur Grundlage für die Musik unseres Jahrhunderts geworden ist.“

Noch stärker als bei der schwarzen Musik muß nach Robertsons Erfahrung innerhalb der indianischen Community die regionale Vielfalt beachtet werden: „Musik der Navajos im Südwesten der USA klingt vollkommen anders als etwa die der Algonkin-Stämme im Norden der USA und bei uns in Kanada. Sie wird auch, wenn überhaupt, nur von ganz kleinen lokalen Radiosendern gespielt meist Sendern, die sowieso nur ein bestimmtes Reservat bedienen.“

Akademische Musikethnologie allerdings wollte Robertson mit „The Native Americans“ nicht abliefern: „Es ging uns nicht darum, nur die indianische Musik früherer Zeiten zu dokumentieren – dann hätte es gereicht, einige von den Bändern die ich ausgegraben habe, zu einem Album zusammen zu schneiden. Stattdessen wollten wir zeigen, was sich in der Indian Community heutzutage musikalisch tut – und das heißt, daß man sowohl archaisches Liedgut als auch neue Kompositionen benützt. Und sich zweitens um einen Sound bemüht, der den heutigen Hörern zugänglich ist und dennoch seine Wurzeln nicht verfälscht. Schließlich wollten wir ein Signal an die Welt senden eine Botschaft, die der Musik der amerikansichen Ureinwohner endlich zu der ihr gebührenden Anerkennung verhilft.“

Das gesellschaftliche Klima, so Robertson, kommt seiner Botschaft derzeit entgegen: „Durch die ökologische Katastrophe, in die sich die Weißen gebracht haben, merken sie langsam, daß sie besser auf die Ureinwohner gehört hätten. Wir haben immer gesagt, daß man mit der Erde und dem Himmel, die einen ernähren, in Harmonie leben muß – das wird inzwischen selbst den größten Ignoranten bewußt.“

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