Helden-Epen und Tragödien – Die Baseball-Fans Steve Wynn und Scott McCaughey erzählen mit Peter Bück von ihrem Lieblingssport

Die Lieblingssportart der Tagträumer dieser Welt ist Baseball. Davon ist Steve Wynn fest überzeugt. Erst gestern hat er sich mit Linda Pitmon, die seit Mai nicht nur seine Schlagzeugerin, sondern auch seine Ehefrau ist, mal wieder ein Spiel der New York Yankees angeschaut. „Während der vier Stunden ist oft gar nichts passiert“, schwärmt er, „da hat man viel Zeit, um sich alle möglichen Dinge durch den Kopf gehen zu lassen.“

Genau darum seien viele Songwriter und Indie-Rocker große Baseball-Fans, behauptet Wynn. Einer davon ist Scott McCaughey, Chef von The Minus 5 und Dauergast bei R.E.M. „Steve und ich hatten unabhängig voneinander schon eine Zeitlang mit der Idee gespielt, eine Platte über Baseball zu machen“, erzählt dieser. Als sich McCaughey und Wynn auf einer Party trafen und merkten, dass sie nicht nur stundenlang darüber streiten konnten, wie die fünf besten Dylan-Alben aller Zeiten heißen, sondern auch, wer die fünf besten Pitcher in der Geschichte des Baseball waren, beschlossen sie, gemeinsame Sache zu machen. Verstärkt durch den R.E.M.-Gitarristen Peter Bück und Linda Pitmon haben sie nun als The Baseball Project ein Album namens „Vol. 1: Frozen Ropes & Dying Quails“ veröffentlicht.

Und das soll erst der Anfang sein. Denn natürlich sind sich die beiden Baseball-Fans sicher, dass sich ihre Lieblingssportart mehr als jede andere für großartige Geschichten eignet: „Im Gegensatz zu anderen Mannschaftssportarten geht es beim Baseball mehr ums Individuum, als Schlagmann oder Pitcher steht man ganz allein im Scheinwerferlicht“, doziert Wynn, „und in diesem Moment kann man zum Helden oder zum Versager werden.“ Und McCaughey ergänzt: „Baseball ist stets unberechenbar und bietet Stoff sowohl für Heldenepen als auch für Tragödien: Jedes Spiel kann sich in die ,Illias‘ oder die .Odyssee‘ auf festem Boden verwandeln.“ Der Home-run wird ja auch als „Homer“ abgekürzt.

Und während sich die Band auf dem Konzeptalbum mal am Indie-Rock, mal am Country, an mexikanischen Folksongs, am Glam-Rock oder Pop abarbeitet, erzählen sie die unerhörten Geschichten der Spieler nach, die in den USA jedes Kind kennt: Etwa die des Center-Fielders Curt Flood („Gratitude“), der Ende der 60er Jahre zum Outlaw wurde, weil er sich für mehr Spielerrechte einsetzte; die des First Baseman Mark McGwire („Broken Man“), der im Steroid-Skandal, der den Sport in den 90er Jahren erschütterte, zum tragischen Helden wurde; oder die des Pitchers Harvey Haddix, der 1959 in einem Spiel zwar innerhalb von zwölf Innings alle 36 Schläger mit seinen Würfen ausschaltete, dem im 13. Inning aber dann doch misslang, ein sogenanntes Perfect Game zu spielen, das es in der Geschichte des Baseball bisher nur 17 Mal gab. „Auch als Musiker fühle ich mich mit Haddix verbunden, weil Perfektion unvollkommen ist“, erklärt Wynn, „Shows, bei denen alles klappt, langweilen mich. Ich freue mich immer, wenn etwas Unberechenbares passiert.“

Ob er das mit dem Baseball Project auf einer Tour vorführen kann, ist indes noch ungewiss. McCaughey und Peter Bück touren ja bis November noch mit R.E.M. Bisher ist die Band darum nur zweimal aufgetreten: bei Pitmons und Wynns Hochzeit – und bei der „Late Show With David Letterman“. „Wenn wir nach Deutschland kommen“, verspricht Wynn aber, „werden wir als Opening Act einen Mann auftreten lassen, der dem Publikum das Einmaleins des Baseball beibringt.“

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