Herbe Verluste der Tonträgerindustrie rufen nun alternative Strategien und junge Talente wie TIM RENNER auf den Plan

Zum jährlichen Musikstadel „Popkomm.“ wollten alle mal wieder ihre Sorgen vergessen und fröhlich sein. Doch in einem knallhart recherchierten Bericht zur Lage der Musikbranche („Die Messe ist die Message“) schockierte der „Spiegel“ schon Tage vorher: Keine Zuwächse mehr, der Musikmarkt sei schwierig und das eitle Treiben ein Gaukelspiel. Langweilige Alben von Großkünstlern („R.E.M, Phil Collins“) erklärten die schleppenden Verkäufe. Die Wahrheit ist freilich, daß die langweiligen Alben sich ziemlich viel verkaufen und die ausgelobten Neutöner wie Kreidler nur ganz wenig.

Während die üblichen „Experten“ noch mit einer Umsatz-Steigerung von knapp 0,8 Prozent zum Jahresende rechnen, geben andere Experten naturgemäß weniger offiziell die wahrscheinlichen Verluste bis zur Jahresmitte preis: 25 Prozent seien keine Übertreibung. Wie auch anders in einer Krise, in der lediglich noch Kinobunker und Freizeitparks als Oasen der Wirtschaftsgeschädigten Bürger taugen.

Jetzt räche sich die Vernachlässigung der Talentförderung, meinen manche Kritiker. Andere beklagen den kostspieligen Aufwand zur Etablierung neuer Namen: Jedes Video schlägt mit mindestens 80 000 Mark zu Buche – und es wird schnell von „Viva“ oder „MTV“ abgelehnt, wenn es denen gerade mal nicht paßt. Es herrscht blanke Panik.

Gut, daß es noch den Jungspund Tim Renner gibt, Geschäftsführer der PolyGram-Firma Motor Music. Der erst 32jährige Inspirator, ein unbekümmerter Schluffi und Gschaftlhuber zugleich, gilt seit einigen Jahren als leuchtendes Beispiel für Innovation und Dynamik. Renner, richtig beraten, investierte vor Jahren in Kinder-Techno von U 96, Marusha oder Mark‘ Oh und verzeichnete erstaunliche Erfolge. Um soziologische Koordinaten für dieses Phänomen ist der Anhänger von kreativem Chaos nicht verlegen. Als der Wind sich drehte, wendete sich auch Motor rechtzeitig – und setzte auch auf Rock: Rammstein gerieten zur sorgsam vorbereiteten Sensation; der Proll-Rapper Nana und die Studenten-Rocker Tocotronic reüssieren ebenfalls. In elender Gleichförmigkeit wird die Erfolgsgeschichte dieses Wunder-Managers nachgebetet. Selbst das britische Branchen-Magazin „MBI“ warf kürzlich einen Blick auf das deutsche Geschäft; Titelbild: der sinnierende Renner als Anführer einer Riege der Mittdreißiger (die allerdings nur aus einer Handvoll von Leuten besteht) über den distinguierten Präsidenten und Geschäftsführern der Traditionsfirmen. Ein Generationswechel kündige sich an.

Der Motor-Stand bei der „Popkomm.“-Messe weist den Weg. Im letzten Jahr war dort noch eine Spielzeug-Autorennbahn samt Zuschauertribüne installiert. Diesmal schlenderten die Leute durch einen Kunstpark mit Bäumchen und Springbrunnen inmitten des bunten Gelärmes. Es ist ruhig geworden.

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