Himmlische Erregung – Die wundervollen Hidden Cameras kombinieren Psalmen und Sex

Über Engel, Tiere und Geliebte sang die kanadische Band The Hidden Cameras letztes Jahr (dieses Jahr wieder, denn bald kommt ihr neues Album „Mississauqa Goddam“) – über Engel, die in der Kirche warten, um die Schwulen-Ehe einzugehen. Über andere Engel, die nachts zärtlich ans Bett kommen und die Liebe als Todkrankheit beschreiben, über die Tiere, zu denen wir werden, wenn wir uns gegenseitig auffressen. Also immer auch über Geliebte. Und man konnte nur schwer hinhören, denn die Musik war so göttlich, wie ein Orff-Orchester, das eben gemeinschaftlich in den Himmel gekommen war und herab von den Wolken spielte, auf Windgitarren und einer Kirchenorgel, auf Flügelharfen und mit weiß gewandetem Chor.

So überirdisch und freundlich fremd klingt die Großgruppe auch, weil Sänger Joel Gibb anders komponiert als die meisten Indie-Songwriter. Er nimmt wenig von Blues und Folk und viel von Kunstliedern und geistlichem Gesang. Die Eltern nahmen ihn in Toronto in die Baptistengemeinde mit, obwohl er sich selbst nie christlich fühlte. „Allerdings hat mich das nicht traumatisiert, wie man das ja oft von Leuten hört, vor allem von Katholiken. Ich benutze dieses Vokabular noch. Freiwillig, weil ich es gut kenne.“ Gibbs „The Man That I Am With My Man“ zum Beispiel ist seine Version des biblischen,“Der Herr ist mein Hirte“, auf der neuen Platte klingen „That’s When The Ceremony Starts“ und „In The Union Of Wine“ nach Abendmahlsfeier, sind am Ende der Metaphern aber Hohelieder auf die irdische Liebe.

Außerhalb Torontos hat bisher niemand die große Performance der Hidden Cameras gesehen, mit 13 Musikern und Mumienkopf-Tänzern. Sie haben dort tatsächlich in Kirchen gespielt, wo die Riesen-Orgel praktischerweise schon da war, und im Toronto Dance Theater sind sie mit dem Ballett aufgetreten. Besucher werden zum Mittanzen animiert, schon wie im Erntedank-Gottesdienst. Dass Gibb oft bis in die pornografischen Details der Männerliebe geht, ist nur logisch bei seinem ekstatischen Musikverständnis. „Man gibt es ungern zu, aber Sex beherrscht einen so großen Teil unserer Gedanken. Beim Songschreiben ist es zumindest für mich völlig klar, dass das ein Thema sein muss.“

Sind nicht viele entsetzt, wenn sie von schwuler Liebe unter der Dusche hören? „Alle denken das immer, aber bis jetzt hat niemand extrem reagiert. Bei unserer UK-Tour mit Sleepy Jackson hatten sicher viele keine Ahnung, wovon wir singen, sie haben die Platte gekauft, weil sie die Musik mochten. Kann schon sein, dass einige zu Hause dann erschrocken sind.“

Solange nur kleine Abordnungen der Hidden Cameras auf Tour gehen können, verdingt sich der Rest in Toronto. Cellist Mike als Schauspieler, neulich in „Dawn Of The Dead“. „Er spielt einen Wächter, der gefressen wird. Lustigerweise muss er etwas Schwulenfeindliches sagen! Einer bestellt einen Frappuccino Latte, und er sagt: ,Schwuchtel!‘ Warum? Tja, bei uns gelten exotische Kaffeesorten als schwer verdächtig.“

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