Willander sieht fern

‚Ich bin ein ein Star, holt mich hier raus!‘: Fick dich, ey! Dschungelcamp, Tag eins

„Man ist ja auch Exhibitionist“. Die Kandidaten beziehen das Camp, die ersten Rollen werden verteilt.

Natürlich kann es keinen Ersatz für die enigmatisch und ganz und gar bezaubernde Larissa Marolt aus der letzten Staffel geben – aber RTL hat ein anderes Wunderwesen für den australischen Dschungel gefunden: Sara Kulka, die sich mit ihrem Auftritt beim „Bachelor“ qualifizierte, hat die Rolle der verhaltensauffälligen Zimtzicke sofort angenommen, sie ist ihr sozusagen auf den Leib geschrieben. Schon zum Auftakt gibt die junge Frau – eine Schönheit zwischen Hildegard Knef und Lauren Bacall – die vulgäre Realistin: „Dummstellen schafft Freizeit“, nuschelt sie in die Kamera. „Am Ende werde ich alles schlucken.“ Was sie dann, bei der ersten Prüfung mit dem Camp-Macho Aurelio Savina, nicht tat. Bei dem Gedanken an ihr einjähriges Kind zu Hause kommen ihr die Tränen, und sie streicht sich mit einer kindlichen Geste die Haare vors Gesicht.

Auch Angelina Heger war Konkubine des „Bachelor“ und gerade neben Sara im „Playboy“ abgebildet: „Ich sehe mich nicht als Star, ich komme nur vom ,Bachelor‘. Ich habe meine Brüste gezeigt, jetzt habe ich sie wieder eingepackt.“ Angelina ist die nüchterne Positivistin, die Sara nur spielt – und deshalb leider sehr langweilig. Die dritte Grazie, Tanja Tischewitsch, hat es bei „Deutschland sucht den Superstar“ ohne Sangestalent weit gebracht: „Ich bin vielleicht nicht die beste Sängerin, aber ich übe und habe DJ-Unterricht genommen. Ich bin einfach eine Labertasche, und und das soll die Welt da draußen sehen.“ Und sie sagt den fabelhaften Satz: „Ich habe einfach Angst vor alles.“ Doch nach dem verheißungsvollen Auftakt beim Kennenlernen auf auf einer Yacht fällt Tanja in eine Duldungsstarre.

Nur die Harten kommen in den Garten – und bereits die erste Ausgabe deckt die Schwächen der Kandidaten auf: Walter Freiwald, der abgemagerte Teleshopping-Veteran, gibt erst den augenrollenden Launebären – und erweist sich dann als Jämmerling, der sich beim Einsteigen in den Helikopter den Kopf anstößt, am Zielort unter Nikotinentzug leidet, hospitalistisch auf der Hängematte sitzt und seine Kapitulation ankündigt. Selten hat sich ein Kandidat so schnell selbst demontiert. Die Buchstabenumdreherin Maren Gilzer posiert zu Beginn frohgemut und dreht Pirouetten vor der Kamera – alsbald kreucht sie malad über den Dschungelpfad, klagt über „Brechmigräne“ und kotzt in die Dschungeltoilette. Der weichliche Selbstdarsteller Rolfe Schneider („Man ist ja auch Exhibitionist“) nimmt seine Rolle als Beichtvater ein, hat sonst aber nichts zu bieten.

Auch dabei, aber in der Deckung: Boygroup-Veteran Benjamin Boyce, der putziges Deutsch spricht („Weil ich ein gebrochene Popstar bin, der noch die Aufmerksamkeit braucht“) und kein Alleinstellungsmerkmal hat, und der streberhafte Seifenopern-Darsteller Jörn Schlönvoigt, der sich allzu sehr der sportlichen Herausforderung verschrieben hat („Ich habe Bock auf Adventure“) und den beflissenen Camp-Doktor gibt. Patricia Blanco, als „Tochter“ eingeführt („So einen Vater braucht kein Mensch“), ist ebenso hartleibig wie schmerzfrei, doch gebricht es ihr an Charisma. Freimütig lässt sie ihre Brust-Implantate befingern, eher interesselos beobachtet von Aurelio, der brummelnd kommentiert: „Der Busen muss schon eine gewisse Größe haben.“ Von Patricia sind Therapiegeschwätz und Vergangenheitsbewältigung zu erwarten.

Als Mutter der Kompanie und Sympathieträgerin empfiehlt sich Rebecca Siemoneit-Barum, die bei der „Lindenstraße“ ebenso Geduld wie Gruppendynamik gelernt hat. Die ehemalige Zirkusartistin hat den Ruhepuls einer alten Löwin, trägt bereits einen Kopfputz und macht nicht den Eindruck, als könnte sie überrascht werden.

In jeder Hinsicht das Dark Horse ist Aurelio, der schmollende Beau der „Bachelorette“ (die ihn nicht erwählte). Der tätowierte Muskelmann hat sich bereits als umstandsloser Pragmatiker positioniert, die erste Prüfung passabel bewältigt und Tuchfühlung mit Sara aufgenommen („Fick dich, ey!“), die ihn zwar fasziniert, aber zu kapriziös und flatterhaft ist. Die beiden werden sich bei den Prüfungen aufreiben müssen, während Rebecca das Camp leiten und Punkte für Vernunft sammeln wird. Schon greint Sara, weil sie von den Zuschauern für die nächste Zumutung ausgesucht wurde – die sichere Methode, um immer wieder aufgerufen zu werden.

Sonja Zietlow und Daniel Hartwich moderieren in einer Art Vorwärtsverteidigung und nutzen die mangelnde Berühmtheit der Teilnehmer zum Spott darüber, dass auch die offenkundige Irrelevanz mediale Erregegungswellen auslöst. Ihr Fatalismus hat bereits kannibalistische Züge: „Ich nehme dann deine Hoden in den Mund“, sagt Sonja nach der Limbo-Prüfung mit Schafshoden.

Es ist angerichtet. Wir schalten auch heute wieder ein, um Dialoge wie diesen zu hören:

Jörn: „Wenn‘s dunkel ist, ist‘s genau so wie am Tag.“

Sara: „Aber du siehst nix.“

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