Im Exil

Anlässlich seiner Deutschland-Tour haben wir uns mit Robert Forster in Regensburg zu einem Spaziergang in seine Vergangenheit verabredet. Der ehemalige Songwriter und Sänger der australischen Go-Betweens lebte fast acht Jahre in der Oberpfalz. Seine Frau kommt aus der Gegend, seine Kinder wurden hier geboren, und hier schrieb er einige seiner besten Songs.

In Reiseführern wird Regensburg vermutlich als „verträumtes Städtchen“ beschrieben. Und da ist was dran. An diesem stürmischen Herbsttag schauen die alten Häuser in die engen Gassen, als hätten sie noch ein paar hundert Jahre Schlaf in ihren Augen. Robert Forster ist nur auf der Durchreise. Am Abend spielt er mit seiner Band in München. Vor dem Hotel „Orphee“ steht tatsächlich wie bestellt ein Fan und bittet um ein Autogramm. Als wir die enge Treppe zu den Zimmern hinaufgehen, holt die Erinnerung Forster wieder ein — oder Forster die Erinnerung. „Zimmer Nummer 6 – hier hat Grant im Februar 2000 gewohnt“, sagt er auf die Tür zeigend. Grant McLennan, sein Freund und musikalischer Partner bei den Go-Betweens, der im Mai 2006 unerwartet starb.

Es war ein kalter Winter damals, Anfang 2000. Regensburg lag unter Schnee, und die beiden Songwriter spielten sich gegenseitig neue Stücke vor, die sie wenig später in Portland/Oregon für „The Friends Of Rachel Worth“, ihr erstes gemeinsames Album nach zehnjahren Pause, aufnehmen wollten. „The past is a foreign country“, hat L.P. Hartley seinen Roman „The Go-Between“ eröffnet. Wo sonst hätten also die Go-Betweens – eine Band, die das Erinnern zelebrierte wie keine andere – an vergangene Zeiten anknüpfen sollen, als in einem fremden Land? Die romantisch verschneite Altstadt von Regensburg war genau die richtige Kulisse.

Wir haben uns zu einem Spaziergang in Robert Forsters Vergangenheit verabredet. Fast acht Jahre hat er hier in der Oberpfalz verbracht. Zunächst in Alteglofsheim, wo er von 1989 bis Mitte 1992 auf einem alten Bauernhof lebte, den er später in seinem Song „German Farmhouse“ auf „The Friends Of Rachel Worth“verewigte. Nach einem australischen Intermezzo wohnte er dann von 1997 bis 2001 mit seiner Familie unter dem Dach eines Hauses am Regensburger Herzogspark. Immer noch tragen seine Lieder Erinnerungsspuren. In „Here Comes A City“ auf dem letzten Go-Betweens-Werk „Oceans Apart“ beschreibt er eine Zugfahrt von Regensburg nach Frankfurt, der Titelsong seines aktuellen Albums „The Evangelist“ erzählt, wie er seine Frau Karin – „ein Landei“ aus der Oberpfalz in seine Heimatstadt Brisbane entführte. Vom Hotel spazieren wir in Richtung Donau, an dem Haus vorbei, in dem früher die Alt-Country-Band Baby You Know probte. Forster hatte sich, als er noch bei den Go-Betweens spielte, mit den Musikern angefreundet und in die Geigerin Karin Bäumler verliebt. Nach einer vielleicht zu langen Go-Betweens-Tour zog er im Sommer 1989 zu ihnen in die Landkommune nach Alteglofsheim, hörte dort texanische Songwriter-Platten und schrieb neue Songs. Einer endet so: „My love and I sit together in the dark/Wondering who sings better in the dark/ Is it Townes Van Zandt or is it Guy Clark?“ Im Herbst kehrte er wenig enthusiastisch zu den Go-Betweens nach Sidney zurück. Ende 1989 beschloss er zusammen mit McLennan das Ende der Band, zog nach Alteglofsheim, und nahm in den Berliner Hansa-Studios sein Solodebüt „Danger In The Past“ auf.

„I lived in seclusion for a couple of years/ In a German farmhouse just drinking beer“, erinnert Forster sich in „German Farmhouse“ an diese Zeit. Er spielte mit Baby You Know, traf mit ihnen in Berlin Townes Van Zandt, produzierte ihr Album „Clear Water’und gab Solokonzerte in der Regensburger „Buchhandlung Dombrowsky“. Die ist auch das nächste Ziel unseres Spaziergangs. Als wir den Laden betreten, läuft dort tatsächlich der Go-Betweens-Song „He Lives My Life“. Forster geht voran, ruft „Ulrich!“ und Ulrich – Dombrowsky-ruft „Robert!“. Veronika, die neue Auszubildende, hat heute ihren ersten Tag, und ihr Chef war wohl gerade im Begriff, die glorreiche Vergangenheit seines kleinen Ladens auszubreiten. Zu diesem Zweck hatte er „The Friends Of Rachel Worth“ aufgelegt. Sie hatte aber noch nie gehört von den Go-Betweens. Nun steht einer von ihnen leibhaftig vor ihr, redet in deutscher Sprache mit leicht bajuwarisch-australischem Einschlag. „Das Lied habe ich hier ganz in der Nähe geschrieben. Am Herzogspark.“

Lange können wir nicht bleiben in der Buchhandlung, denn wir müssen ins „Paletti“, früher Treffpunkt der Regensburger Boheme. „Erhard Grundl (Baby Tou Know-Sänger) nahm da sein Frühstück“, sagt Forster, gerade so, als sei damit schon alles gesagt über die Bedeutung dieses Cafes. Im „Paletti“ treffen wir Robert Pöschl, Bassist von Baby You Know und heute zuständig für Robert Forsters Tourbus. Sonst ist niemand da von früher. Wir bleiben trotzdem einen Kaffee lang, brechen dann auf zum „Shadilac“, einem kleinen Plattenladen im Schatten des Doms. „Der war schon an vielen verschiedenen Orten hier in Regensburg“, so Forster. „Erhard hat da früher gearbeitet.“

Vinylregale, ein Poster von Velvet Underground an der Wand, hinterm Tresen ein hippiesker Typ, wohl kein Go-Betweens-Hörer. Doch der zeigt gleich in den Abstellraum: „Da hängt noch ein altes Tourplakat von dir.“ Forster wendet sich den Schallplatten zu, aber viel Zeit bleibt nicht. Robert Pöschl wartet schon mit dem Bus. Noch kurz am Dom vorbei, dann zielstrebig durch die engen Gassen zum Hotel, die Treppen hoch, an Zimmer Nummer 6 vorbei. „Das hier war Grants absolutes Lieblingshotel“, sagt Forster. Und auch er fühlt sich wohl hier. Das fremde Land Vergangenheit ist sein Zuhause.

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