Im nächsten Jahr wird das Ex-DDR-Label Amiga 50 Jahre alt. Drei Sampler arbeiten das musikalische Schreckenserbe auf

Tele-Lotto ist der humane Versuch beim MDR, den darbenden Ostlern unterhaltsam die Verheißungen und Enttäuschungen im Glückspiel vertrauter zu machen. Landeseigene Populisten und unerschütterlich volksnahe West-Promis wie Bill Ramsey oder Max Schautzer plaudern dafür ohne Scheu vor der Phrase über ihre privaten Vorlieben. Kürzlich erzählte der Nachrichtenmoderator Ronald Lässig von seinen Jahren als Knabe mit den erbaulichen Songs der Popgruppe Abba. „Sie ließen damals den Alltag vergessen, der ja bei uns in der DDR, sie erinnern sich, nicht allzu rosig aussah“, biederte sich der Schnauzbartträger brüderlich beim Publikum an. „Lizenz-Platten von Abba waren rar, sie wissen es ja, und vor den Kaufhäusern standen die Leute in langen Schlangen.“

Lässigs Leid und Leidenschaft ist verständlich. Bei ihm in der DDR war alles Liedgut kontaminiert von werktäglicher Demutsfreude und konzentriert auf kommunistische Durchhalteparolen. Sie hießen Jetzt bist du in der LPG“ oder „Wir sind wachsam“, und da mußten schon die Abba-Titel „Honey Honey“ und „Money Money Money“ wie Erlösungsformeln klingen. Drei Kompilationen mit Kompositionen über, aus und für den Alltag in der DDR lassen nun das Grauen nachvollziehen: „Die Partei hat immer recht“ ist „Eine Dokumentation in Liedern“, die unerschrocken symptomatische Armee- und Arbeitermärsche, Aufbauwalzer und Pioniergesänge, National- und Parteihymne auflistet; auf „Die Schalmei hat immer recht“ werden ebensolche Propagandalieder mit Originalzitaten aus dem Politbüro und von SED-Genossen karikiert. Schließlich überführt die Komödianten-Band Linkssentimentale Transportarbeiterfreunde auf „Singt mit uns“ Volksweisen wie „Fritz, der Traktorist“ in Gassenhauer, die dem Schlager nicht unähnlich sind.

Veröffentlicht wurden die Hit-Histographien von Amiga, der Mutter aller Mauermelodien. Neben den Stasi Akten der Gauck-Behörde ist der Amiga-Katalog mit dem real existierenden Liedmuffdas Mahnmal einer Doktrin. Das Label wurde 1947 mit Erlaubnis des sowjetischen Militärs gegründet und später in der DDR dem VEB Deutsche Schallplatten eingegliedert. Viele Rechte fielen nach dem Mauerfall Amiga zu, die dann von Ariola gekauft wurde. Mit den Samplern wird nun satirisch die Vergangenheit aufgearbeitet Den lächerlichen Tautologien und Trivialitäten, sozialistischen Schimären sowie Spaß Verordnungen zum Trotz, wirkt das Lachen darüber wie eine Buße. Verulkt werden nur Lieder aus den 50er und 60er Jahren. Denn was später kam, ist bei Amiga noch immer im Sold. Frank Schöbel, Karat und Puhdys machen den größten Umsatz.

Als befürchte sie, für die PDS der Plattenindustrie gehalten zu werden, erklärt der Deutschlandfunk-Redakteur Marcus Heumann im Vorwort, die Amiga-Absicht könnte „der eine oder andere Unverbesserliche zu der Kultivierung einer ganz persönlichen DDR-Nostalgie mißbrauchen“. Dabei taugt diese Staatsmusik für Spötter und Sentimentalisten ebenso zur Easy-Listening-Horror-Show wie die Volksmusik des nostalgischen Narren Dieter Thomas Kuhn. Auch zwischen Puhdys und Pur gibt es vereinte Vferblödungsmerkmale. Mit West-Beats und Honecker-Double ziehen derzeit die Easty Girls durch die Discos. Das hat der Parteiprediger, so ist auf der „Schalmei!-Platte zu hören, stets befürchtet.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates