IN EIGENER SACHE

„New Voices“ nur noch im Abo: Die diesbezügliche Ankündigung im Februar-Heft ging an einigen Lesern bislang wohl vorbei. Auch wenn sich die kritischen Reaktionen auf diese Entscheidung erfreulicherweise in Grenzen halten (vereinzelte Briefbomben wurden fachmännisch entschärft), besteht zu dem Thema offenbar nach wie vor Erklärungsbedarf. Deshalb hier einige offene Worte und ergänzende Informationen, die über die knappe Ankündigung in Heft 2/98 hinausgehen: 1. Als wir Ende ’96 die nicht unproblematische Entscheidung trafen, in jedem Monat eine CD zu veröffentlichen und – da anders nicht finanzierbar – den Heftpreis auf stolze DM 9.80 zu erhöhen, meldeten sich ebenfalls kritische Stimmen: Man habe keinerlei Interesse an diesen „New Voices“; schon gar nicht jeden Monat! Man erwarte eine vernünftige Zeitung zum Lesen – und keine unaufgeforderte Animation zum Kauf von CDs. Anders gesagt: Wir haben gelernt, mit der schmerzlichen Erfahrung zu leben, daß wir es nie allen rechtmachen werden… 2. Als wir im Juni 1995 erstmals eine CD beilegten, gab dieses Heft unserer Auflage den erhofften – und für eine neue Zeitschrift wie den deutschen ROLLING STONE auch finanziell notwendigen – Schub. Bedingt durch die Tatsache, daß zahlreiche andere Zeitschriften unsere Idee imitierten (und der Reiz des Neuen ohnehin seinen Glanz verliert), ist dies inzwischen nicht mehr der Fall. Beigelegte CDs gehören in Deutschland heute fast schon zur Grundausstattung einer Musikzeitschrift. Auf deutsch: Die erhöhten Aufwendungen für die Produktion einer CD werden nicht mehr durch eine erhöhte Auflage kompensiert. (Angesichts des Verdrängungswettbewerbes am Kiosk darf sich ein Verlag heute schon glücklich schätzen, 55 Prozent seiner Druckauflage verkaufen zu können. Das heißt: Für bis zu 45 Prozent Remittenden müssen die Kosten für CD-Pressung und GEMA-Gebühren von vorneherein einkalkuliert werden!) Auf diese Entwicklung nicht zu reagieren wäre schlichtweg Kamikaze. Unrealistisch ist es leider auch – wie mehrfach angeregt -, mit zwei Varianten (mit und ohne CD) an den Kiosk zu gehen: Das Remittenden-Problem würde sich dadurch nur verdoppeln. 3. Praktisch alle Major-Companies boykottieren mittlerweile die beigelegten CDs. Anders gesagt: Sie geben uns (und anderen Zeitschriften auch!) kein Repertoire mehr. Der Hintergrund: Der ohnehin von Existenzsorgen geplagte Plattenhandel hat einen flammenden Appell an die Plattenfirmen gerichtet, daß es für sie der finale Nagel im Sarg sei, wenn jeden Monat ein Dutzend Zeitschriften mit kostenlosen Musik-CDs erscheine. Auch wenn die Musikindustrie die Intention unserer „New Voices“ nach wie vor zu schätzen weiß (und unter anderen Vorzeichen auch unterstützen würde), bleibt ihr unter diesen Umständen keine andere Wahl als dem Druck ihrer „Handelspartner“ nachzugeben.

Natürlich könnten wir die „New Voices“-CDs mit Repertoire füllen, ohne auf das Material der „Majors“ zurückzugreifen – was langfristig allerdings mit unvermeidlichen qualitativen Einbußen verbunden wäre. Da die musikalische Qualität weiterhin oberstes Gebot ist, wäre es kurzsichtig und kontraproduktiv, die größten Repertoire-Quellen achselzuckend zu ignorieren. Und da wir auch bei der Auswahl des Materials keine redaktionellen Kompromisse eingehen werden, ist es ebenso indiskutabel, sich von einer der noch willigen Plattenfirmen dafür bezahlen zu lassen, daß man mit einem sogenannten „Label-Portrait“ versteckte Werbung betreibt.

Unsere Entscheidung, die CD aus dem offenen Verkauf (und damit aus der Konkurrenz mit dem Plattenhandel) zu ziehen, hat daher bei den Plattenfirmen die erwartet positive Resonanz gefunden. Was wiederum bedeutet: Das musikalische Spektrum, das erst dann möglich ist, wenn auf möglichst alle Veröffentlichungen neuer Talente zurückgegriffen werden kann, ist im Falle der „New Voices“ weiterhin sichergestellt Fazit: Wir haben lange gegrübelt, ob es in dieser Situation einen allgemeinverträglichen Königsweg gibt. Natürlich ist uns bewußt, daß es diverse Argumente gegen ein Abo gibt; ROLLING STONE-Redakteure ticken da nicht anders. Nach Abwägung aller Faktoren gab es zu unserer Entscheidung keine realistische Alternative. Wir werden folglich damit leben müssen, es siehe oben – auch diesmal nicht allen Lesern rechtmachen zu können. Wir haben versucht, mit dem Angebot eines Halb-Jahres-Abos für 50 Märker kurzfristige Extrembelastungen des tuberkulösen Geldbeutels zu vermeiden. Wir werden uns weiterhin mit der Frage beschäftigen, ob vielleicht schon in naher Zukunft die neuen Medien („Music On Demand“) eine Lösung bieten, die auch dem notorischen Abo-Muffel den Weg zu den „New Voices“ öffnen.

Was die Gegenwart angeht, so würden wir uns freuen, wenn diese Informationen dazu beigetragen haben, Mißverständnisse oder gar Unterstellungen aus dem Weg zu räumen. Es geht uns nicht darum, mit kapitalistischen Hauruck-Methoden die zaudernden Abo-Schäfchen in unsere Scheune zu treiben. Sondern schlicht und ergreifend darum, durch das rechtzeitige Stellen der notwendigen Weichen auch künftig die Existenz der Zeitschrift zu gewährleisten. Nuff said (würde jetzt Wolfgang Doebeling sagen).

Die Redaktion

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