In einem Hybrid aus Flower Power und Acid House brachten die Happy Mondays und Stone Roses den Rock zum Tanzen

Es gibt diese Theorie, nach der die wichtigsten Trends immer aus Städten kommen, deren in backsteingewordener Trostlosigkeit eingekesselten Bewohnern zur Bekämpfung der kollektiven Suizidgefährdung nichts anderes übrig bleibt als die Kreation von Kurzweiligkeit. Beispiele: Liverpool und die Beatles. Detroit und der Funk. Und – äh – Hamburg und Die Sterne.

Rave kam aus Manchester, einer Stadt, gegen die das Essen der 50er als Kurort durchgegangen wäre. Dort versammelten sich ab Ende der Achtziger die Clubber in rezessionsleeren Fabrikhallen zu Parties, auf denen Lokalbands die Symbiose von Retro-Rock und Dance-Rhythmen zelebrierten. Und dabei Ecstasy mit dem Smiley-Konterfei Maggie Thatchers einwarfen. Diese Parties nannte man Raves. Die Musik nannte man nach den Parties. Und Manchester nannte man daher nur noch Madchester.

Madchester und die Rave-o-lution: Dies war das große Briten-Ding Anfang der Neunziger. Die Tabloids stürzten sich auf den für Inselverhältnisse noch gerade unverschämt lebenslustigen Haufen und prophezeiten „the end of the world as we know it. Clubwear-Designer stürzten dazu und entwarfen den probaten „Baggy Look“ mit Hosen, in deren Taschen man ein ganzes XTC-Labor verstauen konnte. Und die Musikindustrie verkündete die eben stattgefundene Ankunft von Sendboten messianischen Kalibers: Die Happy Mondays. Die Stone Roses. Die Inspiral Carpets. James. Alle kamen aus der Indie-Ecke; alle waren sie angetreten, ihr hedonistisches Interesse für Dance ein bißchen weiter zu treiben. Und alle scherten sie sich einen Dreck um diese hermeneutische Crossover-Seziererei, die den Sound in seine klangtheoretischen Bestandsteile zu zerlegen trachtete. Wenn Rave eines nicht war, dann Musik, die Erklärungen verlangte. Es gab dann auch keine: Man klaubte zusammen, was man fand und was vor allem tanzbar war.

Die Happy Mondays zum Beispiel: Sie betraten die Warehouse-Party-Szene mit einem Werk namens „Happy Monday’s Squirrel And G-Man Twenty Four Hour Party People Plastic Face Can’t Smile (White Out)“ und sangen Verslein wie „Yippie yippie yeah yeah-hae-hae/ I’m gonna cruzify somebody today-hay-hay!“ Den Rest raspelte Sänger Shaun Ryder auf eine Art hinaus, für die eine Umschreibung wie „dylanesk“ noch zu euphemistisch wäre. Das ganze klang wie ein transzendenter Hybrid aus Flower Power und Acid House. Den Happy Mondays folgten die Stone Roses, die mit ihrem gleichnamigen Debütalbum tatsächlich sowas wie ein epochales Werk aufgenommen hatten. Immerhin besaßen jene auch einen gegen jegliche Takt-Konventionen antrommelnden Schlagzeuger und einen klasse Gitarristen, dessen exzentrisches Genudele live jedoch auch dem tanzfreudigsten Mancuvian Clubber irgendwann leider auf die Nerven ging. The Charlatans stammen zwar aus W>lverhampton, aber weil es dort noch schlimmer ist als in Manchester, gewährte die Smiley-Boomtown ihnen damals AsyL Und James wollten ohnehin stets anders sein, mit ihren ideosynkratischen Melodien in einem Niemandsland zwischen weird und wonderful.

Und dann war es 1994 und der spaßige Spuk vorbei. Der Happy Mondays-Frontmann Shaun Ryder gestand seine Heroin-Sucht und wurde von der Yellow Press gesteinigt. Die Inspiral Carpets trafen sich nur noch vor dem Kadi wieder (unter anderem wegen ihrer „Cool As Fuck“-T-Shirts). Die Stone Roses klangen auf einmal wie Led Zep – und damit weder nach Dance, noch nach Rave, noch nach irgendetwas Sinnvollem. Manchester verfiel wieder in übliche Tristesse und wartete auf den Britpop.

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