Intime Wohnzimmer-Gigs kann Jesse Harris seit seinem Grammy-Gewinn nicht mehr geben

NEW YORK, MERCURY LOUNGE. Eigentlich ist ja der „Living Room“ (übrigens auch an jedem Montag in diesem November) die Wohnstube der Ferdinandos. Dort hat sich die Band des New Yorkers Jesse Harris ein Stammpublikum herangezogen, an das sie ihre ersten drei „very independent“ produzierte CDs leidlich oft los wunde. Spätestens, seit Jesse als Komponist für Norah Jones (er schrieb unter anderem ihren Hit „Don’tKnowWhy“‚) mit einem Grammy bedacht wurde, ist Schluss mit dem Insider-Status.

Diesmal spielen der schüchterne Jesse und seine gestandenen Mannsbilder aus der Jazz-Avantgardeszene um Bill Frisell, Sex Mob und die Lounge Lizards in der Mercury Lounge, einem Club im East Village fiir in erster Linie Akustisches, der aber auch den Strokes längere Zeit einen Stammplatz bot.

Die folkjazzgefarbten Songs vom aktuellen, bei einem Major-Label untergekommenen Album „The Secret Sun „kriegen nur eine Nebenrolle ab, schliesslich sind die Ferdinandos seit vier Jahren gemeinsam unterwegs, und Neues hat der Vielschreiber Jesse auch reichlich im Gepäck. Vor allem Gitarrist Tony Scherr sorgt mit seinem Clapton-infiziertem, stets auf den Punkt gebrachten Spiel dafür, dass alte wie neue Songs erfreulichen Biss entwickeln.

Weil die „Mercury Lounge“ für brillante Soundtechnik bekannt ist, können auch Bass und Schlagzeug dezent Druck machen, ohne Jesses sanften „Paul-Simon-Tenor“ zu verdrängen.

Dass der lockenhaariger Boss durch seine Brille am liebsten einen imaginären Punkt vor seinen Füssen anvisiert, passt zum Kontrast auf musikalischer Ebene: Die Rhythmusträger sind für einen gewissen Showeffekt zuständig, der Songwriter mit der Klampfe und der verhaltenen Stimme sorgt fürs Subtile. Subtil ist allerdings auch die Art, wie Scherr 8C Co. Rock-Errungenschaften gegen den Strich bürsten, sei’s mit ungewohnten Sounds oder kleinen Abschweifungen ins frei Tönende.

Andere können nur schräg oder traditionell – die Ferdinandos haben beides drauf: bodenständig mit souveränem „Wir können auch anders“-Einschlag. Wenn’s darum geht, den oft kurzen Songs ein würdiges Finale zu verpassen, ist allerdings Schluss mit subtil. Dann wird mal aus vollem Tempo abgewürgt, mal abrupt abgebrochen. Warum dies bei einer sonst lustvoll-einfallsreichen und so versierten Band? Sorry, don’t know why.

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