James Mercer – König des Schwebens

James Mercer ist mit The Shins der Indie-Regent - seine leichten Liedchen und hübschen Melodien taugen zum Genuss ohne Reue.

Als das vorige Album der Shins, „Wincing The Night Away“, vor fünf Jahren den zweiten Platz der amerikanischen Charts belegte, wusste James Mercer nicht mehr, was er tun sollte. Er schrieb dann eine Weile an Soundtracks. „Aber ich hatte immer die Vorstellung, dass ich für eine Band arbeite und nicht bloß ein Singer/Songwriter bin, der an Alben bastelt“, sagt Mercer. Bald begann er mit neuen Songs.

James Mercer ist der König des leichten Liedchens, der schwerelosen Melodien, des schwebenden Nichts – ein Paul McCartney für vollklimatisierte Appartements mit Seeblick. Die Beatles stünden immer noch meilenweit über allem und allen, weiß der Shins-Kopf und Songwriter, der mit „Port Of Morrow“ ein Album aufgenommen hat, dessen Songs perfekt als Soundtrack für die konfektionierte Gefühlswelt der „Gilmore Girls“ laufen könnte. In der amerikanischen Coming-of-age-Serie trösten sich junge Mädchen aus elitären Elternhäusern oft mit melancholischen Popsongs, die meistens irgendwie „indie“ klingen, weil sie von Stimmen wie James Mercer gesungen werden.

Heute kann er sich kaum noch an seinen Kurzauftritt bei „Gilmore Girls“ erinnern, nur dass das schon eine Ewigkeit her ist, dass es saukalt beim Dreh war und „ich kaum mehr als ein T-Shirt anhatte“. Und dass er ziemlich nervös wurde, „weil die Schauspieler alle in einem irren Tempo redeten“. Das war im Jahr 2000. Seither hat James Mercer drei Alben mit The Shins veröffentlicht, die sich hunderttausendfach verkauften. Shins-Songs werden regelmäßig als emotionale Verstärkung in TV-Serien angefordert – und trotzdem gilt der Sound der Band noch immer als „indie“. „Merkwürdig, diese Begriffe. Ich versuche ja nur, mein höchstes Songwriting-Level zu erreichen, das anscheinend das ‚Indie‘-Level ist. Ich wünschte, es wäre das Beatles-Level“, scherzt Mercer.

Ein Versuch, dieses Level zu erreichen, ist der neue Song „40 Mark Straße“, den Mercer drei Jahren seiner Kindheit gewidmet hat. Drei Jahre, die er im rheinland-pfälzischen Ramstein-Miesbach verbracht hat, wo sein Vater als Soldat stationiert war. Die Ramstein Air Base ist bis heute das größte Quartier der US Air Force außerhalb der Vereinigten Staaten. So wuchs Mercer zwischen Militärgelände und westdeutscher Teilprovenienz auf, besuchte ein Gymnasium und ergründete beim Durchkämmen der Umgebung das Mysterium einer Gasse zwischen Kaiserslautern und Ramstein, die von älteren Amerikanern nur „40 Mark Straße“ genannt wurde. „Ich fragte mich natürlich, was es damit auf sich hat und vermutete, dass es irgendwas mit Liebe zu tun hat“, sagt Mercer. Erst viel später habe er verstanden, dass dort die Prostituierten ihr Geld verdienten und 40 Mark wohl der Preis waren.

Doch seine musikalische Leichtigkeit hat er sicher nicht in Deutschland mit auf den Weg bekommen, eher schon seinen Hang zum Perfektionismus. Fünf Jahre sind seit dem letzten Shins-Album vergangen, fünf Jahre, in denen Mercer mitunter erwog, die Band ganz auf Eis zu legen. „Ich wollte den Stress nicht mehr, wollte nicht mehr im Mittelpunkt stehen.“ Schließlich gründete er Broken Bells, zusammen mit Brian Burton, auch bekannt als Danger Mouse. Die beiden hatten sich 2004 beim Roskilde-Festival kennengelernt. Burton habe ihn zu gesanglichen Experimenten angespornt, die auch auf „Port Of Morrow“ deutlich zu hören sind. In Mercers glasklarer Kopfstimme zum Beispiel. Oder in den stellenweise minimalistisch anmutenden Arrangements. Schließlich hat Produzent Greg Kurstin, bekannt durch seine Arbeiten mit Lily Allen, Pink und Marina And The Diamonds, ein paar wohldosierte Pianotupfer platziert. So bekam „Port Of Morrow“ jenen fahlen Abglanz, der so gern Strahlkraft wäre.

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