Jazz oder Blues waren Adolfs Alptraum – und ENTARTETE MUSIK fürs Volk tabu

Oma und Opa hätten Knast, womöglich gar KZ riskiert, hätte man sie beim heimlichen Hören dieser teils fidelen, teils nachdenklichen, immer aber aufmüpfigen Songs erwischt. Die Rede ist von einer nun fünfteiligen CD-Serie namens „Flashbacks“, die gerade auf dem Transmitter-Label erschien.

Jede CD widmet sich einem abgeschlossenen Themenkreis: „High & Low“ den Drogen, „Blue & Lonely“ den Schmachtfetzen, „Crazy & Funny“ den Novelty-Songs, „Gospel & Prayer“ der spirituellen Musik und „Jeil & Sexy“ schließlich dem Kopulations-Blues.

Was hat man in den 20er, 30er und 40er Jahren doch für eine feine „entartete Musik“ gemacht. Da jubilierten 1933 zum Beispiel die Hossier Hot Shots zu flotten Swing-Klängen „I Like Bananas Because They Have No Bones“, Harry „The Hipster“ Gibson fragte verschmitzt „Who Put The Benzedrine In Ms. Murphys Ovaltine?“ – und der GRÖFAZ Hitler schrieb seinem „lieben Heydrich“ am 26. Januar 1942 aus dem Führer-Hauptquartier u.a.: „Nur wenn wir brutal durchgreifen, werden wir ein gefahrliches Umsichgreifen dieser anglophylen (sic!) Tendenz in einer Zeit, in der Deutschland um seine Existenz kämpft, vermeiden können.“ Und: „…die Jugend muß zunächst einmal Prügel bekommen und dann in schärfster Form exerzieren und zur Arbeit angehalten werden.“ Gott sei’s gedankt, daß die Nazis nicht mehr lange „brutal durchgreifen“ konnten, aber ihr Exerzier-Wahn und ihre Gehirnwäsche hinterließen fatale Folgen, die bekanntlich bis in die Jetztzeit reichen. Während die Familienvorstände in den 50er und 60er Jahren noch „Stell die Negermusik leiser!“ krakeelten, rufen heutzutage einige Ewiggestrige nach einer Quotenregelung. Heimische Produkte, die schon im Laden keiner kaufen wollte, sollen einem nun per Dekret und via Rundfunk mit der Brechstange schmackhaft gemacht werden.

Was für eine geschichtliche Volte, denn während in den 30er und 40er Jahren brillante Musiker und intellektuelle Fans unter Lebensgefahr ihren Klängen frönten, soll nun der Staat befehlen, daß auch der letzte Scheiß gehört werden muß. Hauptsache, er ist deutsch! Gebt diesen verwirrten Qotenreglern die Kante mit richtig „entarteter Musik“, spielt jede Menge Kopulations-Hymnen und Kiffer-Songs, denn der – von Ronald Rippchen kenntnisreich kommentierte und zusammen mit Ede Padrone kompilierte – Stoff dieser fünf Alben hat es verdient. Zumal nicht wenige dieser rund 125 Perlen aus der Jazz-, Blues- und Unterhaltungsmusik nun zum ersten Mal an deutsche Ohren gelangen.

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