Johnny Winter

Ein Satz, der im Dezember 1968 in der US-Ausgabe des ROLLING STONE stand, sollte sein Leben verändern: „Wer sich einen Albino mit Silberblick, flaumigweißer Matte und einem Fliegengewicht von 60 Kilo ausmalen kann, wer sich darüber hinaus vorstellen kann, dass dieser Mann die druckvollste und doch flüssigste Blues-Gitarre spielt, die man je gehört hat, der sollte sich mit dem Namen Johnny Winter vertraut machen.“

Diese Zeilen, neben einem nicht minder spektakulären Foto, sollten den 24-jährigen Gitarrenvirtuosen aus Beaumont, Texas über Nacht zum Star machen. Wenige Wochen später jammte er bereits mit Mike Bloomfield und Jimi Hendrix in New York, hatte einen sechsstelligen Plattenvertrag mit Columbia Records und nahm seine erste LP mit Gastmusiker Willie Dixon auf.

Winter, der am 16. Juli in Zürich starb, musste seinen plötzlichen Ruhm teuer bezahlen – nicht zuletzt mit einem enormen kommerziellen Druck, Heroinabhängigkeit und gesundheitlichen Problemen. „Es gab eine Zeit, in der ich ernsthaft darüber nachdachte, das ganze Geld zurückzugeben“, sagte er 1970, vom Hype schon genervt. „Gebt mir doch einfach nur die Möglichkeit zu spielen.“

Wenn er die Chance bekam, war er zu Außergewöhnlichem fähig. Er war nicht nur ein druckvoller, gleichzeitig aber auch melodisch artikulierter Gitarrist, sondern besaß auch ein sirenenhaftes, auf heulendes Organ, das für Songs wie gemacht war, die nach existenzieller Eindringlichkeit verlangten. Das konnte Percy Mayfields „Memory Pain“ sein, auf „Second Winter“ (1969) verewigt, oder Winters eigener „Mean Town Blues“, den er für sein Debüt „The Progressive Blues Experiment“ (1968) aufnahm. „Johnny hat alles, was einen Rockstar ausmacht“, sagte sein Freund und Vorbild Muddy Waters, „aber er hat auch den Blues.“

John Dawson Winter III wurde am 23. Februar 1944 in Beaumont geboren. Von Rechts wegen blind und ob seines Albinismus immer ein Außenseiter, fand er Zuflucht und Bestimmung in Blues und R&B. Mit seinem jüngeren Bruder Edgar, ebenfalls Albino, gründete er mehrere Bands und nahm schon vor seiner Entdeckung diverse halbprofessionelle Singles auf. Die größte Intensität und Vehemenz haben mit Sicherheit seine frühen Alben – seine Coverversion von Dylans „Highway 61 Revisited“ auf „Second Winter“ sollte so etwas wie seine Visitenkarte werden, doch sein gesamter Katalog (in diesem Jahr mit dem Boxset „True To The Blues“ gewürdigt) war durchgängig gehaltvoll, mit überwiegend klassischem Blues – darunter auch Aufnahmen, die er Ende der Siebziger für Muddy Waters produzierte.

Kurz vor seinem Tod schloss Winter noch sein neues Studioalbum „Step Back“ ab, auf dem auch Gäste wie Eric Clapton und ZZ Tops Billy Gibbons zu hören sind. Und seinen gesundheitlichen Problemen zum Trotz (er hatte Emphyseme und zuletzt eine Lungenentzündung) tourte er noch immer mit einem beängstigenden Tempo. 2007 trat er mit Derek Trucks, einem anderen Slide-Zauberer, bei Claptons „Crossroads“-Festival auf. „Er wirkte so unglaublich gebrechlich“, sagte Trucks später backstage, „doch kaum stand er auf der Bühne, griff er nach den Sternen.“

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