Folge 36

Kirchengründer Schamoni

Die beste Religionskritik ist immer noch die, selbst eine Religion zu gründen, findet unser Kolumnist und ruft hiermit eine Kirche der Gottlosigkeit aus

Ich sah gerade einen mehrteiligen Bericht über den Aufstieg der Evangelikalen in den USA und dem Rest der Welt. Billy Graham, ein Baptistenpastor und Erweckungsprediger führte seit den 50er-Jahren Massenevangelisationen, sogenannte „Kreuzzüge“, durch, bei denen er vor teilweise über 100.000 Menschen auf der ganzen Welt sprach.

Er war gegen Abtreibung und Homosexualität und unterstützte den amerikanischen Überfall auf Vietnam. Insgesamt verkündigte Graham auf 417 Großveranstaltungen vor 210 Millionen Menschen in 185 Ländern das angebliche „Wort Gottes“. Sieben Mal trat er in Deutschland auf. Zuerst im Jahr 1954 im 100.000 Menschen fassenden Olympiastadion von West-Berlin und zuletzt 1993 bei der Veranstaltung ProChrist.

Graham fungierte auch als seelsorgerischer Berater mehrerer US-Präsidenten wie Richard Nixon und George W. Bush. Er gilt als eine der Schlüsselfiguren für den ideologischen Wandel von der Trennung von Staat und Religion hin zu einer Unterwanderung des Staates durch religiöse Akteure und deren Agenda. Er agierte als Fernsehprediger und erfand die Megachurches, große zum Teil zeltähnliche Gebäude, in denen tausenden von Zuhörer seiner Predigten untergebracht werden konnten. Mit den Verkäufen aus seinen Büchern und dem religiösen Merchandise wurde er zum vielfachen Multimillionär.

Ich habe mich gefragt, warum wir Atheisten eigentlich nie über eine Organisierung unserer Kräfte nachgedacht haben. Ich meine nicht unter dem Dach einer Ideologie wie dem gescheiterten Kommunismus, sondern zuallererst direkt und für uns selbst.

Dass die Religionen unglaubliche Leidensbringer sind und in den meisten Fällen für Indoktrination, Unterjochung und Beraubung benutzt werden, ist eine Binsenweisheit. Aber das Zurückdrängen der klar denkenden Menschen durch religiöse Eiferer in den letzten Jahren (allein von 2010 bis 2020 ist die Zahl der Evangelikalen um 30 Prozent gestiegen!) erscheint mir strategisch, und nun ist es an der Zeit mit ähnlichen Mitteln zu antworten. Wir müssen endlich die große Sucht und Krankheit Religion besiegen.

Mein Plan: Wir sollten atheistische Megachurches gründen und eine Kirche der Gottlosigkeit, damit meine ich ausdrücklich keine Zuwendung zu Satan, der ja auch nichts anderes als ein Gott ist, nämlich ein Trugbild und ein Werkzeug. Wir sollten eine eigene Bewegung werden, die sich über die ganze Welt ausbreitet, um die Menschen aus den Fängen der religiösen Häscher zu retten:

Gottlosigkeit heilt Dich

Löse Dich aus den Fesseln des Herren

Genieße die Freiheit des Unglaubens

Setze der Dummheit und der Unterdrückung ein Ende

Trete direkt für Deine Schwestern und Brüder ein

Hilf den Schwächeren

Den Unterlegenen

Den Armen und Ausgebeuteten

Dafür brauchst Du keinen Gott

Und keinen Führer

Nur die Kraft der Liebe,

der Empathie und der Solidarität

Wir sollten eine Antigottpartei gründen, um unseren antireligiösen Strukturen einen politischen Rahmen zu verleihen. Auf Münzen könnte geprägt stehen: „An Gott wir zweifeln!“.  Und wir sollten gegen Pro Life vorgehen – für ein selbstbestimmtes und freies Leben UND Sterben.

Ich schlage als Zeichen Eures Einverständnisses zunächst NICHTS vor. Meldet Euch NICHT in den nächsten Tagen zurück, geht NICHT auf die Straßen für unsere Ideale, versammelt Euch NICHT auf den Plätzen um für unsere Ideen einzustehen. Wenn das klappt, wenn also in den nächsten Wochen absolut NICHTS zu spüren sein sollte, so werte ich das als eindeutiges Zeichen des Einverständnisses. Alle, denen NICHTS anzumerken ist, werden zu uns gehören. Und mit dieser gewaltigen Menge werden wir in den Kampf um die Freiheit ziehen, denn sie ist unser wichtigstes Gut.

In us we trust!

 

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates