Paul McCartney: Alle Alben im Ranking

Zum 80. Geburtstag von Paul McCartney stellt ROLLING STONE-Redakteur Maik Brüggemeyer sein ganz persönliches Ranking aller Post-Beatles-Alben vor

Der Mann, der die Ehre der „silly love songs“ gerettet hat, der sowohl Pionier des Home-Recording als auch des Synth-Pop war, den besten Bond-Song der Geschichte schrieb, in den Siebzigern mehr Zeit in den US-Billboard-Charts vertreten war als die Rolling Stones und Fleetwood Mac zusammengenommen und die in seinem Heimatland erfolgreichste Single des Jahrzehnts veröffentlichte, der seit seinem Solodebüt 1970 etwa 90 Millionen Alben und 60 Millionen physische Singles verkauft hat und es 2021 mit der Remix-Version seines jüngsten Albums auf Platz eins der amerikanischen Charts schaffte, wird 80 Jahre alt. Und alle Welt schreibt natürlich wieder darüber, dass er vor 1970 in der größten und einflussreichsten Band der Popgeschichte spielte, deren Motor er mit seinen Träumen, seinen Ambitionen, seiner Arbeitsethik und seinem Talent war.

„Seine beeindruckendste Leistung scheint mir allerdings nicht die, ein Beatle gewesen zu sein, sondern die, ein Ex-Beatle zu sein“,  schrieb ich in meiner Würdigung in der aktuellen Ausgabe des ROLLING STONE. Hier nun also der Beweis: Ein Überblick über Paul McCartneys buntes, vielgestaltiges, experimentelles, melodieseliges, exzentrisches Post-Beatles-Werk. Auf den Bühnen dieser Welt mag er seit den späten Achtzigern vor allem den Beatle Paul geben, auf seinen Platten ist er bis zum heutigen Tag ein Künstler mit großem Schaffensdrang und Entdeckergeist.

38. „Driving Rain“ (2001)

Drei Jahre nach dem Tod seiner Ehefrau Linda schien McCartney mit junger Freundin, dem Model Heather Mills, im neuen Jahrtausend noch einmal zeigen zu wollen, dass er in er sich seine jugendliche Frische bewahrt hatte. Er trug seine Haare nun modisch kurz, seine Füße steckten in Chucks, er scharrte eine junge Band aus Session-Musikern um sich und nahm dieses etwas blutleere Rockalbum im Formatradiosound auf (produziert übrigens von David Kahne, der als Vizepräsident von Warner Music seinerzeit Wilcos Album „Yankee Hotel Foxtrot“ ablehnte). Viele Songs klingen hier so, als müsse McCartney sich selbst davon überzeugen, dass nun alles wieder okay ist in seinem Leben: Es sind die Balladen, die „Driving Rain“ ein bisschen retten – das liebliche „From A Love To A Friend“, das anrührende „I Do“ mit den Zeilen „Please remember this/ After a time it’s through/ And nevermore/ Will there be days/ For me and you“ und vor allem das beatleske, lässige „Your Way“. Dass McCartney schließlich als Bonus-Track noch seinen – sagen wir es freundlich: unterkomplexen 9/11-Song „Freedom“ auf das Album packen musste, hat die Attraktivität von „Driving Rain“ leider nicht gesteigert.

37. „Standing Stone“ (1997)

Dass der Mozart des Pop sich irgendwann auch an klassischer Musik versuchen würde, war abzusehen. Sein erstes Werk, das „Liverpool Oratorio“, fiel 1991 bei der Kritik wegen zu viel Zuckerbäckerei durch. Das scheint er bei seinem zweiten E-Musik-Versuch, den er zum 100. Geburtstag von EMI Records schrieb, beherzigt zu haben, denn „Standing Stone“ schwelgt weniger in Melodien, hat mehr Mut zum Unkonkreten und Disruptiven. Aber es passiert dann doch zu wenig, als dass man sich davon 75 Minuten unterhalten oder gar herausgefordert fühlt. Vielmehr klingt „Standing Stone“ wie Score-Musik, die ein paar Schlachten und eine Romanze illustrieren könnte. Vielleicht für ein „Highlander“-Remake nochmal aus dem Keller holen.

36. „Ocean’s Kingdom“ (2014)

Warum sollte man sich eine Ballettmusik anhören, ohne das Ballett dazu zu sehen? Das ist ja wie Filmmusik ohne Film. Tatsächlich war McCartneys fünftes klassisches Album zunächst als Score-Musik der Disney-Dokumentation „Oceans“ vorgesehen, wurde aber nicht verwendet. Doch wenn man das weiß, hat man das im Film zu sehende Unterwasserballett der majestätischen Wale, die sich an ihre Beute anpirschenden Haie und die durch die Tiefen gleitenden Rochen quasi vor sich. Aber leider schwimmt da nirgendwo ein gelbes U-Boot rum.

35. „Give My Regards to Broad Street“ (1984)

Dass McCartney niemals ein Schauspieler werden würde, sah man schon im ersten Beatles-Film „A Hard Days Night“. Aber seinen Film „Give My Regards to Broad Street“ hätte zugegebenermaßen auch Sir Laurence Olivier nicht retten können, wenn er die Hauptrolle übernommen hätte. Dass aber auch der Soundtrack ein Desaster wurde, lag wohl daran, dass McCartney nach der Produktion der schnell aufeinanderfolgenden Alben „Tug Of War“ und „Pipes Of Peace“ einfach keine Songs mehr auf Lager hatte und stattdessen einiger seiner Klassiker und auf besagten Vorgänger Alben gerade erst erschienenen Songs in neuen, umarrangierten und in jedem Fall unterlegenen Versionen neu aufnahm. Von den drei neuen Stücken kann am Ende nur die Power-Ballade „No More Lonely Nights“ mit Dave Gilmour an der Gitarre überzeugen. Nachdem er die Achtziger furios begonnen hatte, schien auch Paul McCartney, wie so viele seine Generationsgenossen, in die große Midlife-Krise zu fallen.

Ranking Paul McCartney Alben

34. „Снова в СССР“ (1988)

Nach dem kommerziellen Misserfolg von „Press To Play“ (1986) und dem kreativen Scheitern des bis heute nicht veröffentlichten Nachfolgers „Return To Pepperland“, an dem er mit dem Produzenten Phil Ramone gearbeitet hatte, holte McCartney sich neue Energie, indem er in zwei Tagen live im Studio einige seiner Rock’n’Roll-Favoriten aus Teenagertagen aufnahm. Begleitet wurde er von einer Art All-Star-Pub-Rock-Band mit Mick Gallagher, einst Organist von Ian Durys Blockheads, dem fabelhaften Ex-Pirates-Gitarristen Mick Green und Ex-The-Motors-Sänger/Gitarrist Nick Garvey sowie den Session-Schlagzeugern Chris Whitten und Henry Spinetti. Man merkt, dass sie bei den Aufnahmen Spaß hatten, aber das Feuer springt nicht so richtig über. „Снова в СССР“, russisch für „Back In The USSR“, erschien 1988 zunächst exklusiv auf dem staatseigenen sowjetischen Label Melodiya.

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