Kritik: „And Just Like That“: Auch im Alter masturbieren – nun aber mit Lesebrille

Es wird über alles geredet: Rassismus, Sexismus, politische Korrektheit, Karriere, Kindererziehung und natürlich die verschiedensten Schwierigkeiten in Beziehungen, nicht nur im Bett. Doch in Zeiten, da in den sozialen Medien sowieso längst über jeden klitzekleinen Aspekt in allen Details Auskunft gegeben wird, hat das nichts Faszinierendes mehr.

Die Augen kneifen sich unwillkürlich etwas zusammen, es steht einiges auf dem Spiel. Es gibt nicht wenige Frauen, die rein vorsichtshalber in den letzten Jahren der Versuchung widerstanden haben, die Serie „Sex And The City“ noch einmal anzuschauen – wir wollten uns die Erinnerung nicht verderben. Denn es kommen uns doch erhebliche Zweifel, wenn wir mit etwas Abstand darüber nachdenken: Warum wurde die Freundschaft dieser vier Frauen immer so hochgehalten – und dann wurden sie doch nur mit dem passenden Mann glücklich? Wie privilegiert waren die eigentlich und wieso wussten sie es nicht wenigstens zu schätzen? Und wie wichtig sind Schuhe wirklich?

Ab heute zeigt Sky Comedy die ersten Folgen von „And Just Like That“, der Fortsetzung von „Sex And The City“ – 17 Jahre nach dem Ende der Serie, elf Jahre nach dem zweiten Kinofilm. Es ist ein gemischtes Vergnügen. Offensichtlich spielt die Serie in der Zukunft, denn New York hat die Corona-Pandemie hinter sich, und alle machen schon Witze über die seltsamen Abstandsregeln, die einst galten. Nach einer Minute kommt die Frage: „Wo ist Samantha?“ Nach Großbritannien gezogen, berufsbedingt. Es bleiben also nur drei Freundinnen: Sarah Jessica Parker als Carrie Bradshaw, Cynthia Nixon als Miranda Hobbes, Kristin Davis als Charlotte York Goldenblatt. Sie sind jetzt Mitte fünfzig. Miranda hat keine roten Haare mehr, Charlotte hat ihr ursprüngliches Gesicht nicht mehr. Carrie redet nicht mehr über ihre Kolumne, sondern über Instagram und Podcasts. Und doch hat es sofort etwas Heimeliges, dieses Trio zu sehen: Die Stimmen sind so vertraut, die schicken Restaurants und die übertriebenen Klamotten ebenso. Damit es nicht wie bei „Girls“ Ärger gibt, wird jetzt ein wenig unmotiviert eine Freundin Charlottes eingeführt, die nicht porzellanweiß ist, und auch sprachlich bemüht sich Drehbuchautor und Regisseur Michael Patrick King, mit den neuen Zeiten mitzuhalten. „Ich soll meiner Pussy einen Schubs geben“ – das wurde ihr eben geraten, sagt Carrie etwas irritiert zu Mr. Big und bittet ihn dann, doch zur Abwechslung mal vor ihr zu masturbieren. Er hat damit keine Probleme: „Mit oder lieber ohne Lesebrille?“

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Es sind also die üblichen Dialoge, die manchmal immer noch gewitzt, manchmal schal daherkommen, und dann taucht plötzlich Willie Garson als Stanford Blatch auf – und ach, es ist ein Elend, dass er im September gestorben, mit 57. Sein Esprit wird fehlen. Manches andere (wir wollen ja hier nicht zu viel spoilern) ist so vorhersehbar zusammengeschnitten, dass es fast weh tut – und dann wird’s ein bisschen zäh. Älterwerden ist kein Spaß, oft sogar ein Trauerspiel, ja, das wissen wir, aber wollen wir es auch sehen? Es wird – wie es bei dieser Serie Tradition ist – über alles geredet, worüber alle so reden: Rassismus, Sexismus, politische Korrektheit, Karriere, Kindererziehung und natürlich die verschiedensten Schwierigkeiten in Beziehungen, nicht nur im Bett. Doch in Zeiten, da in den sozialen Medien sowieso längst über jeden klitzekleinen Aspekt in allen Details Auskunft gegeben wird, hat das nichts Faszinierendes mehr. Es ist eine nette Plauderei.

Nach den beiden ersten Folgen komme ich nicht umhin zu denken: Puh, gar nicht so schlimm. Und das ist natürlich nicht genug.

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