Label des Vertrauens: Mit „O Brother“ gelang LOST HIGHWAY ein fulminanter Start. Ryan Adams ist ebenso glücklich bei der Firma wie Lu Williams

Frank Callari hat schon einiges mitgemacht in über 20 Jahren Musikgeschäft. In den späten 70er Jahren startete der New Yorker hinterm Plattenteller im „“Studio 54“ durch, in den 80ern tourte der DJ mit New Order, in den 90er Jahren bescherte er als Manager von Miami aus sowohl die Mavericks als auch Marilyn Manson mit einem Plattenvertrag. Doch der redegewandte Italo-Amerikaner, seit Ende 1992 in Nashville ansässig, musste erst der A&R-Chef eines Plattenlabels werden, um hautnah miterleben zu können, wie sich Anspruch und Kasse vom Start weg das Ja-Wort gaben.

Dabei wurde der Platin-dekorierte „“O Brother Where Art Thou“ Soundtrack (siehe RS 9/01) als Mercury-Veröffentlichung wahrgenommen, weil der Name fürs neue Labelbaby noch ausstand. Davon mal abgesehen „“war das natürlich ein toller Start“. Denn dieser Erfolg, so Callari, „“bewies ja genau das, was wir mit Lost Highway beweisen wollen: Exzellente Musik kann auch dann sehr viele Leute erreichen, wenn sie kein gängiges Radio-Format bedient.“ Einfluss auf die A&R-Strategie habe der überraschende Durchmarsch alter und neuer Hillbilly-Helden aber nicht gehabt. „Wir werden die Bluegrass-Kuh nicht über Gebühr melken“, versichert Callari, auch sieht er Lost Highway nicht als typische oder gar puristische Alt-Country-Adresse. „“Qualität aus verschiedenen Ecken“ lautet vielmehr die Devise.

Dass Schubladen-Leute damit überfordert sind, nehmen er und Label-Chef Luke Lewis, der einst bei Mercury eine Shania Twain machte, in Kauf. Callari: „“Die denken: Aha, Lucinda Williams, ein Singer/Songwriter-Label! Ryan Adams wird auch so gesehen, obwohl er gerade eine Rock’n’Roll-Platte gemacht hat. Und dann sagen die Leute: ‚Doch kein Bluegrass-Label?‘ Nein, wir lassen lieber die Musik sprechen.“

Das haben andere Leute mit Ambitionen in Nashville auch schon versucht. Und sind damit auf den Bauch gefallen. Doch Vergleiche mit den späten 1980ern, als Tony Brown bei MCA mit Qualitäts-Signings wie Steve Earle, Lyle Lovett und Nanci Griffith für Frischluft im Music-Row-Mief sorgte, aber kommerziell scheiterte, hält Callari für nicht angebracht: „“Wir versuchen ja nicht, ein Country-Label mit hippen Acts zu sein.“ Eher, so der A&R-Mann, sei es bei Lost Highway „ein bisschen so wie in den 60ern und 70ern, als ein Mo Ostin noch bei Warner den Ton angab. Damals konnten Künstler einfach ihre Platten machen – und dann hat man überlegt, was man damit anfängt. Heute kreieren sie erst die Nische, dann kommt die Musik dafür. Aber wir wollen den Künstlern vertrauen – und sie sollen uns vertrauen.“ So wie z.B. Kim Richey. Die schlaksige Blondine, als Autorin längst wohlgelitten in Nashville, wird dieser Tage ihr viertes Album in Angriff nehmen, mit Produzent Bill Bottrell, der schon Sheryl (Crow) und Shelby (Lynne) den notwendigen Schub gab.

Im Vertrauensfeldzug von Lost Highway hat auch der europäische Markt seinen Platz. Auf „“New American Music“-Kampagnen werden wir dabei vergeblich warten. „Hey, damit hatte ich aber nichts zu tun“, geht Callari gleich in Abwehrstellung. Er vertraut lieber auf den „universellen Appeal“ eines Ryan Adams. Und auf seine Erfahrungen, die er noch als Manager der Mavericks auf dem Alten Kontinent sammeln konnte. „“Wenn du es wie Urlaub nimmst, mal eine Woche rübergehst, und dann nach drei Jahren wiederkommst – dann hast du keine Chance. Du musst schon zwei-, dreimal pro Jahr vor Ort präsent sein und gute Arbeit abliefern, sonst nimmt dich keiner ernst.“

Sollte der Erfolg dann doch mal die Dimensionen des 12-Angestellten-Betriebs in Nashville sprengen, stehen sie schon in New York bereit, bei der „“Schwesterfirma“ (Callari) Island/Def Jam, um Promotion- und Marketing-Aufgaben für Lost Highway zu übernehmen. „“Wenn ein Act größer wird, kann Hilfe nicht schaden.“ Aber kann die Hilfe nicht auch rasch verpuffen, im Mainstream-Orbit zwischen Bon Jovi und LL Cool J? Frank Callari winkt ab: „“Keine Angst. Wir werden Ryan bestimmt nicht auf eine Jay-Z-Tour packen.“

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