LAP Coffee: Gastro-Krake mit Kaffeevollautomaten

Eine System-Gastro-Firma ist angetreten, alles umzuwälzen, was echte Kiez- oder Viertels-Kultur ausmacht.

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Bislang existiert das Aufreger-Phänomen LAP Coffee nur in Berlin, München und im Hamburger Szeneviertel Sternschanze.

Es geht um eine schnell wachsende Kaffeehauskette (kurz für „Life Among People“), die im Musik- und Stadtkultur-Umfeld für Alarm gesorgt hat. Das Fachmagazin „Coffeeness“ titelt etwa: „Ritterschlag für den Kaffeevollautomaten oder Untergang der Kaffeebranche?“ Das umstrittene Konzept ist eine Art „Anti-Starbucks“ was Preis, Tempo, Ästhetik anbetrifft.

Das Gründer-Duo mit berlinischem Start-Up-Stallgeruch Ralph Hage und Tonalli Arreola, das unter dem kühlen Namen „Micro Retail Technologies MRT GmbH“ firmiert, rollt mit Unterstützung von Venture-Capital-Geldspeichern weiterhin mit hoher „Skalierung“ die Gastro-Szene auf.

Was bietet LAP Coffee eigentlich?

Vermarktet wird ein modernes „Coffee to go“-Konzept für Urbanistas – Espresso für nur 1,50 Euro, Cappuccino für 2,50 Euro. Dafür nutzt die Firma kleine Ladenflächen, vollautomatisierte Kaffeemaschinen und ein schlichtes, Insta-taugliches Design.

Sitzplätze sind kaum vorhanden, das schnelle Kommen und Gehen steht im Fokus. Der Stil spricht vor allem Gen Z, Social-Media-Afficionados und ähnlich gelagerte Trendies an: Generation Latte also.

Auf der LAP-Website sind Reels und Filmchen von kalkuliert wilden Parties, DJ-Sets vor den Shops und Showing-Outs unter der Dachzeile „Party Callobo“ zu sehen. Die Reihen heißen dann „Afterglow“, „Hinge“ oder „LAP X Solebox“. Auch Yoga ist im Angebot.

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Im Umfeld von Popmusik, Street-Culture und Lifestyle mit weißen Turnschuhen verknüpft sich LAP also mit Vibes, die man aus trendy Videos kennt – stylishe Labels, schnelle Beats, plus whole lotta Umweltverschmutzer-Kaffeebecher als Schicki-Accessoire.

Gerade in der LAP-Role-Out-Hauptstadt Berlin sehen lokale Kiez-Cafés unter Druck. Ein Branchenexperte merkt an, dass ein fairer Cappuccino mindestens 3,50 Euro kosten müsste, damit Röstereien, Produzenten und Kiezbetriebe überleben können. Andere kritische GeisterInnen sehen im LAP-Modell einen Treiber von Gentrifizierung und Homogenisierung. „Wir haben tolle unabhängige Cafés – die brauchen wir nicht in Konkurrenz zu Ketten“, heißt es etwa an der Waterkant.

Besonders Nachhaltigkeit wird bemängelt: Trotz der Option eigener Becher setzt LAP primär auf To-Go-Becher und schnelle Rotation – ein derber Widerspruch zum propagierten „Community-space“-Versprechen.

Die Preise bei LAP Coffee sind deutlich niedriger als bei der Konkurrenz
Die Preise bei LAP Coffee sind deutlich niedriger als bei der Konkurrenz

Kiez-Cafés stellen die Qualitätsfrage

Zudem steht die Qualität zur Debatte: Vollautomaten statt Barista-Handwerk – damit fehlt manchen Gästen der Charakter, den man mit handwerklich geröstetem Kaffee verbindet. Auf Social Media und in Foren wird LAP daher häufig als Symbol einer Oberflächenästhetik kritisiert. „Let’s be real — LAP might look like your typical stylish Berlin café, but scratch the surface and it’s more like Life Among Plastic“, heißt es in einem weiteren Kommentar.

Diese Dynamiken erzeugen Emotionen – von Boykott-Rufen über Farbanschläge bis hin zu hitzigen Debatten. Gerade in Stadtteilen mit hoher Konzert- und Clubdichte wird der Coffee-to-Go vor dem Gig genauso Teil des Rituals wie ein Getränk in der Pause beim Fintech-Unternehmen.

In der vielstimmigen Kritik zeigt sich das Spannungsfeld, in dem sich Popkultur heute bewegt – zwischen Independent und krachendem Hyper-Kommerz, gekaufter Authentizität und fuckin‘ Lifestyle.

Wenn also Soundsystem vor den Läden auftreten, ist das Umfeld Teil der Inszenierung – Kaffee-Ketten wie LAP wirken über die Marke hinaus als visuelle Kulisse eines modernen urbanen Sounds. LAP Coffee steht exemplarisch für eine Transformation des Kaffee- und Stadtraums: günstig, schnell, designorientiert – mit urbaner Ausstrahlung. Zugleich symbolisiert sie Herausforderungen wie „Ersetzbarkeit“ und Verhängung kleiner Betriebe durch Preisdruck, Fragen der Nachhaltigkeit, Gleichsetzung von Marke mit Erlebnis statt „echter“ Begegnung.

Wenn ein blöder Papp- oder Plastikbecher zum Teil einer Ästhetik wird, wenn in Kaffeehäusern auswechselbare Plastik-HipHop- oder Techno-Tracks laufen, dann ist LAP Coffee weit mehr als ein Kaffeegeschäft – eher ein Indikator dafür, wie urbaner Lifestyle, Popkultur und Markenökonomie auf gruselige Art heute verschmelzen. Demnächst auch in ihrer Stadt.

Maja Hitij Getty Images

Ralf Niemczyk schreibt freiberuflich unter anderem für ROLLING STONE. Weitere Artikel und das Autorenprofil gibt es hier.