Leben mit dem Stones Vergleich

Sie klingen zwar oft wie Mick, Keith & Co., aber auf den großen Durchbruch müssen Go To Blazes trotzdem noch warten

Mit einer amerikanischen Band einen Disput vom Zaun zu brechen, ist ein schwieriges, schweißtreibendes Unterfangen. Gewöhnlich läuft man gegen eine Gummiwand aus „great“ und „sure“ und „anything you say“. Nicht bei diesen Junges. Go To Blazes zeigen Charakter. Gitarrist Tom Heyman redet sich langsam in Rage, und auch Leadsänger Red Warren stellt sich schützend vor sein mißratenes Baby. „Punk Rock Song“ heißt irreführend der Bastard, den sie später umtaufen werden in „What You’ve Made“, womöglich weil sie ihn so besser verstecken können auf ihrem neuen Album „Waiting Around For The Crash“. Noch ist die Platte nicht raus, über die wir uns auf der Terrasse einer Bar & Grill-Baracke in Austin/Texas das Maul zerreißen.

Es geht um das weit verbreitete Übel des Filler-Virus, das schon so manch feiner LP den Garaus gemacht hat Kein Go To Blazes-Album blieb vor ihm verschont ein Ärgernis, auch wenn es im Zeitalter der Programmierbarkeit digitaler Tonträger für viele seinen Schrecken verloren haben mag. „Ist ja alles richtig“, konzediert Warren säuerlich, „aber im Moment seines Entstehens ist jeder Song wichtig. Dieser ist wütend, es geht um Philadelphia, bad vibes und darum, was aus dir wird, wenn du ein Shit-Sandwich nach dem anderen in dich hineindrückst. O. K., ich habe den Song weniger geschrieben als herausgekotzt, aber das macht ihn noch nicht zu einem Filler-Track.“

Nun, vielleicht gefällt ihm das Wort Qualitätsgefälle ja besser, vielleicht kann man ihn bei seiner Songwriterehre packen. Ist „Lost As Me“ nicht ein weitaus besserer Song, und wenn dem so ist, warum dann nicht warten, bis man ein Dutzend solcher Diamanten beisammen hat und ein brillantes Album dabei herausspringt? Warren wiegt den Kopf. „Nein“, meint er schließlich, „so funktioniert es nicht. You never wanna make your best album. Danach kann es doch nur noch bergab gehen. Man will es nie perfekt haben, viel entscheidender ist, daß es ein recht genaues Bild von dir abgibt, zu der Zeit, wenn es entsteht. That s a satisfying experience, you know.“ Auch ’ne Philosophie.

Oben im schönen Maine hatte es angefangen, vor 15 Jahren, im College, mit Rockabilly. „We were like the Stooges playing the Johnny Burnette Trio“, erinnern sie sich. Ende der 80er Jahre zog es sie dann nach Washington D.C. und weiter nach Philadelphia, „weil es nur zwei Stunden weg ist von New brk und weil man dort billig leben kann“. Die Ökonomie und das Leben einer Rockband, immer dasselbe und immer wieder rührend. How do you make a living?

„We don t.“ Alle vier haben Day Jobs, Scheiß-Jobs ohne große Verantwortung und entsprechend mies bezahlt. Nur so können sie alles hinschmeißen, wenn eine Tour ansteht oder Plattenaufnahmen. Zeitweilig hat sie der Traum verfolgt, eines Tages von einem Major unter Vertrag genommen zu werden. Ein hübscher Vorschuß, großzügige Recording Budgets, eine Karriere – das alles schien verlockend. Heute sind sie froh, daß es nicht so gekommen ist „Schau dir die Jayhawks an. Wenn dich ein Major Label fallen läßt, stehst du mit einer halben Million Dollar Schulden da, die für Promotion und dergleichen ausgegeben wurde. It’s creepy.“ Zu alt und zu weise sind sie heute, behaupten sie lachend, um noch in diese Falle zu tappen. Im übrigen gehörten sie nicht zu denen, die viel Geld benötigten. „Das Equipment im Van ist mehr wert als was unsere letzten beiden Alben zusammen gekostet haben.“ Und Heyman wirft sarkastisch ein: „Wir sind völlig mittellos, und doch gelingt es uns, ständig mit den Stones verglichen zu werden.“

Wohl wahr, und nicht von ungefähr. „Sicher“, sagt Warren, „aber wir haben’s satt Ich bin mit den Stones aufgewachsen und ich liebte sie über alles. Das tue ich immer noch. It’s great, great music. Sie haben Slim Harpo und Budy Holly und George Jones verdaut, verschmolzen und miteinander versöhnt. Americana nennt man das heute. Wir stöhnen ja auch nicht, weil die ewigen Stones-Vergleiche falsch wären, sondern weil sie so offenkundig sind. Ich meine, was ist mit unseren anderen Einflüssen, von John Fogerty bis ZZ Top?“ Die Runde nickt beifällig. „Und im übrigen“, ergänzt Tom Heyman, „sind die Stones weniger eine Band als eine Naturgewalt“. Vergleiche seien da selten schmeichelhaft und stets unfair. Eine wichtige Lektion muß da wohl erst noch gelernt werden. Bis dahin: Don ‚t give up your day Jobs.

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