Letzte Anmerkungen zur vorläufigen Lebensbeichte des Liedermachers DIETER BOHLEN

Ein kleiner Nachtrag nur zur Beichte des Gesamtkunstwerks Bohlen, denn die Rezension stand ja schon in der „FAZ“: „Nichts als die Wahrheit“ ist natürlich vor allem die liebevolle Nachdichtung der „Bild“-Klatsch-Poetin Katja Kessler, die mit gedrechselten Zoten und erstaunlicher Misogynie der ohnehin prallen und lebenssatten Sprache Bohlens aufhalf. Bei der Frankfurter Buchmesse erklärte sie die Symbiose dergestalt, dass sie die Worte fand, die Dieter benutzt hätte, wenn sie ihm eingefallen wären.

Ahnlich funktioniert ja auch Bohlens Musik, und ähnlich produzierte der Dieter eine Platte mit dem schon maladen Roy Black, der sich keinen Text merken konnte und während der Arbeit eine pisswarme Flasche Wodka auf dem Klo leerte. Das Ableben des Tragikers betrübte Bohlen mehr als der Tod John Lennons, mit dem er freilich keine Platten aufgenommen hatte.

„Nichts als die Wahrheit“ ist einem anderen Großwerk ebenbürtig: dem Lebensbericht „Ich“ des möglicherweise noch egozentrischeren Schauspielers Helmut Berger. Während der eitle Psychopath immerhin noch den großen Antonioni in die Tiefe riss, sind es bei Bohlen nur Bordsteinschwalben wie Naddel und Brigitte Nielsen, die Bohlens postkoitale Häme auf sich ziehen. Immer wieder vermengt die Kessler kulinarische mit leiblichen Genüssen: Sex sei „wie Nudeln mit Trüffeln, Eis mit Sahne“, der vermeintlich frigiden Feldbusch attestiert der Connaisseur überraschend erstklassige Leistungen.

Wie niemand seit Henry Miller – vielleicht mit Ausnahme von Oskar Lafontaine und Pfarrer Fliege, wenn er nicht im Dienst ist – enthüllt Bohlen die Natur des Mannes: Ficken, Geld, Macht und Todesangst umtreiben ihn, nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Bohlen dämmert heute, dass sich der Altersabstand zu seiner aktuellen Konkubine Estefania kaum verringern wird, während er der Deadline entgegen eilt. Deshalb mampft er nur noch Müsli und Gemüse und joggt um die notorische „Villa Rosengarten“, um den Verfall aufzuhalten. Da nützen aber auch die kernige, gegerbte Benutzeroberfläche und das schwarze Leder nichts mehr.

Bei allem Bekenntniswahn traut sich Bohlen doch nicht so ganz an die Letzten Dinge heran. Woran, wenn nicht nur an sich selbst, glaubt der Erfolgsmensch? Es ist womöglich die Instanz, die er stets ungewöhnlich respektvoll als „mein Plattenboss“ bezeichnet. Und diese Dankbarkeit ist in der Branche tatsächlich einzigartig und ewig.

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