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Vor einem halben Jahr feierte Berthold Seliger den 25. Geburtstag seiner Konzertagentur und schenkte sich (und uns Interessierten) ein Buch. In ihm rechnete der Berliner mit der Musikbranche ab. In „Das Geschäft mit der Musik“ beklagte Seliger die Kommerzialisierung des Konzertwesens und holte zum großen Rundumschlag gegen Tonträgerindustrie, Musikmedien und Promofirmen aus. Nun schließt Seliger auch noch seinen eigenen Laden. „Das Geschäft mit der Musik hat sich im letzten Jahrzehnt massiv in die falsche Richtung entwickelt“, schreibt Seliger in einer Art Abschiedsbrief, den er über seinen großen Presseverteiler in die Welt hinausschickte. „Einige wenige weltweite Monopole dominieren den gesamten Musikmarkt“, klagt er, „die Vielfalt der Kultur ist längst in Gefahr.“ Nun, der Mann hat recht. Auch wenn er verschweigt, dass natürlich überall Kultur auch und gerade jenseits der letzten verbliebenen Majorfirmen und Großkonzerne nicht nur entsteht, sondern auch wächst und gedeiht. Dafür war Berthold Seligers Konzertagentur immer eines der besten Beispiele. Aber nun, im Herbst 2013, ist offenbar der Punkt gekommen, an dem es endgültig „kein richtiges Leben im falschen“ mehr geben kann, wie der linksaufklärerische Konzertmanager -oder „Kulturvermittler“, wie er sich selbst lieber nennt -erklärt. Liest man in seinem Abschiedsmanifest ein paar Absätze weiter, finden sich zwei weitere und etwas handfestere Gründe für Seligers pathetisches „Tschüs“. Grund eins:

Die ermäßigte Umsatzsteuer auf Konzerteinnahmen ist relativ geräuschlos von 7 auf 19 Prozent erhöht worden, was bei einem Betrieb von Seligers Größe ein Minus von 50.000 Euro im Jahr ausmacht. Und das ist natürlich wirklich Mist, das ist aktive Anti-Kulturpolitik. Grund zwei: Seligers Sehnsucht nach einer „schöpferischen Auszeit“, nach Lesen, Reisen, Schreiben und „Musik hören ohne Druck“. Das klingt herrlich und sei ihm gegönnt. Zumal: So ganz kann der altgediente Maestro nicht vom Konzertbusiness lassen -als Ein-Mann-Betrieb will er weiterhin gelegentlich Tourneen seiner Lieblingskünstler veranstalten, die von Patti Smith im kommenden Jahr zum Beispiel. Dass er ihr hübsches „I fuck plenty with the future“-Zitat in seinem Pamphlet nicht mehr wortwörtlich erinnert, sei einem enthusiasmierten Fan wie ihm verziehen.

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