Looks LikeTeen Spirit

Rebellen-Couture: Zeige mir, was du trägst, und ich sage dir, was du hörst. Die faszinierende Liaison von Musik und Mode.

Man kann es natürlich ganz pragmatisch sehen: Wir tragen Kleidung, damit wir uns die Peinlichkeit ersparen, nackt durch die Gegend zu laufen – und uns nicht witterungsbedingt den Allerwertesten zu verbrennen oder abfrieren. Klamotten sind aber immer auch ein unterstützendes Element, sich selbst zu inszenieren, oder eine Zugehörigkeit auszudrücken. So war es also nur eine Frage der Zeit, bis Musik nicht mehr bei den Ohren halt machte, sondern sich auch in der Mode widerspiegelte. Über die jeweiligen Dresscodes kann man streiten. Fakt ist, dass fast jeder Trend, war er noch so avantgardistisch oder daneben, Einzug in die Alltagsmode gehalten hat.

Die 50er: Rock’n’Roll

Wer als ordentlicher Halbstarker was auf sich hielt, schmiss sich in breitschultrige Lederjacken und enge Hosen, in denen der laszive Hüftschwung erst richtig zur Geltung kam. Den Kopf tauchte man in den Pomadetopf. Was den Eltern damals im harmlosesten Fall die Zehennägel aufstellte, im schlimmsten Fall zur Enterbung führte, bringt heute niemanden mehr aus der Fassung. Trotzdem tritt die Lederjacke im Laufe der Jahrzehnte in unterschiedlichen Musikgenres immer wieder als Fashion-Must-Have auf. Ein Pseudonym für Coolness, Stärke und, seien wir ehrlich, ewige Jugend.

Die späten 60er: Hippie

Die Fab Four lieferten im „Summer of Love“ mit „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ den passenden Soundtrack zur Hippie-Bewegung – und mit bunten, indisch-psychedelisch angehauchten Klamotten auch gleich noch eine modische Inspiration. Selbst Lennons Nickelbrille fand unter den Millionen Fans sofort Anhänger. Die ließen, wenn nicht schon längst geschehen, den akkurat geschnittenen Pilzkopf zu langen Zotteln auswachsen, kultivierten erst einen Schnäuzer, dann einen Karl-Marx-Bart und motteten den schwarzen Anzug ein.

Die 80er: Pop

Auffallen um jeden Preis! Mit nie zuvor betriebenem Aufwand setzten sich Künstler in Szene, um mit extravagantem Stil ihre Musik zu transportieren. „New Romantic“-Ikonen wie Boy George verkörperten dieses Lifestyle-Gesamtpaket, in dem zum ersten Mal die Mode die größere Rolle spielte, perfekt. Der Sieg der Verpackung über den Inhalt, wenn man so will. Wagemutig zwängte sich die Jugend daraufhin in hautenge Leggins, schminkte sich bis zur Unkenntlichkeit, überfrachtete den Look mit Tüchern, Ketten und Federn. Nennen wir es gnädig „phantasievoll“.

Die 70er: Punk

In zerfetzten T-Shirts, Bondagehosen und mit Sicherheitsnadeln als Accessoires wollten die Sex Pistols schocken, provozieren und auf keinen Fall den Konventionen entsprechen. Die von Vivienne Westwood entworfene „Anti-Mode“ sollte ihre Anti-Haltung unterstreichen. Der Schuss ging eindeutig nach hinten los. Aus Underground wurde Mainstream und am Ende sogar Haute Couture. Sid Vicious hätte beim Anblick von Schauspielerin Liz Hurleys Gianni-Versace-Abendkleid, dessen Einzelteile nur von goldenen Sicherheitsnadeln zusammengehalten wurden, sicher seine speckige Lederjacke verspeist.

Die 90er: Grunge

Über Nacht wurde dieser Musikstil berühmt – und mit ihm verblichene Holzfällerhemden, ausgetretene Chucks und zerschlissene Jeans. Legendär: Kurt Cobains senfgelbe, löchrige Strickjacke, deren Anblick allein schon Juckreiz auslöste. Wieder mal also jede Menge Anti-Schick, von dem sich niemand abhalten ließ. Die Mode-Industrie rieb sich die Hände und lieferte auf alt Gemachtes. Vorteil des Trends: Wer stilgerecht in authentischen Second-Hand-Klamotten herumlief, hatte wenigstens genügend Geld übrig, um in die wirklich wichtigen Dinge zu investieren. Etwa die Musik.

Die 90er: Goth

Beim Anblick von HIM-Sänger Ville Valo und dessen optischem Flirt mit dem Gothic-Genre drehte es dem wahren Goth natürlich den Magen um. Kommerz! Ausverkauf! Blasphemie! Schließlich konnte und kann sich die Szene glücklich schätzen, dass es ihr Dresscode bis heute nicht zur Alltagstauglichkeit geschafft hat. Mitte der neunziger Jahre, als die Nischenkultur im wahrsten Sinne gerade für tot erklärt wurde, gelangten Style und Musik dennoch zu Weltgeltung – in deutlich abgeschwächter Form. Finnen-Beau HIM inspirierte jedenfalls ganze Scharen schwarzer Frack- und Spitzenträger.

Die 70er und 80er: Heavy Metal

Bikerboots, Leder und Nietenschmuck – was Bands wie Iron Maiden und ihren Fans eigentlich dazu diente, auch optisch Härte, Aggressivität und Männlichkeit zu beweisen, findet man heute als Mainstream-Chic in jedem gut sortierten Kleiderschrank. Vor allem die für die Szene typischen Shirts mit Printaufdrucken zieren längst nicht mehr nur die breite Brust waschechter Metaller, sondern auch die eines jeden Partygirls. Für das Erbe des Glam-Rock-Style (siehe Mötley Crüe, I.) fühlt sich indes ein junger Mann aus Germany zuständig, jedenfalls ein bisschen: Bill Kaulitz von Tokio Hotel.

Die 90er bis heute: Anything Goes

Gehen der Postmoderne die Inspirationen, die Ideen, die Einflüsse aus? Heute gilt: Alles ist erlaubt, egal ob musikalisch oder stilistisch. Siehe Von-alleme-twas-Ikone Pink. Dabei ist es wurst, ob man wild durcheinander mixt oder im Zeitraffer ein komplettes Genre wiederauferstehen lässt. Dann jubelt die Masse zwar ob des angeblich neuen Trends, muss aber nach kürzester Zeit frustriert feststellen, dass alles schon mal dagewesen ist. Kleiner Trost: Ästhetische Katastrophen werden ganz schnell wieder von etwas Neuem abgelöst. Stichwort: Plüschjacken, Buffalo-Riesenabsatz-Treter oder Vokuhila…

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