Los, Genossen!

Der Urlaub im kapitalistischen Alltag ist vorbei: Die Aeronauten sind zurück - und klingen besser denn je

Fast hätte das alles nicht mehr geklappt. Dann würden die sechs Aeronauten in Zürich oder Schaffhausen eben wieder als Tontechniker, Kameramann oder Film- und Theaternmsiker arbeiten. Nicht nur nebenbei, sondern ausschließlich.

Dass es anders gekommen ist, liegt an der süperben Qualität von „Hier: Die Aeronauten“, dem ersten neuen Album des Schweizer Sextetts seit fünf Jahren. „Unsere letzten beiden Platten waren einfach nicht so toll“, sagt Olifr, der Sänger. „Die Euphorie war weg, wir fühlten uns müde und abgekämpft, entwickelten uns in die falsche Richtung.“ Dabei waren Spontaneität, Spielwitz und der Wille, es auch mal ordentlich krachen zu lassen, die Erkennungszeichen der seit 1991 aktiven Band. In ihrer verzweifelten Selbstsuche haben sie sogar John McEntire angerufen. Glücklicherweise hatte der Chicagoer Produzent und Kopf von Tortoise keine Zeit. Es wäre schrecklich gewesen, eine so mitreißende Punk-Pop-Ska-Band im kühlen Post-Rock-Sound zu erleben.

Stattdessen lösten sich die Aeronauten erst einmal auf. Und arbeiteten. Man verbrachte jetzt auch mehr Zeit auf Kinderspielplätzen, dem Nachwuchs zuliebe. Olifr widmete sich verstärkt dem maßstabgetreuen Nachbau alter Doppeldecker, ein langjähriges Hobby, das den Aeronauten einst ihren Namen gab.

Doch irgendwann ging es wieder los – von wegen, man müsse die Band wieder zusammenbringen. Sicher war es hilfreich, dass sich Olifr mit zwei Freunden in Schaffhausen ein professionelles Studio aufgebaut hatte. Die sechs klampften, rockten und lachten. Da war kein Druck, doch endlich mal einen Hit zu schreiben, so wie es sich Carol von Rautenkranz vom Label LAge D’Or immer gewünscht hatte. Es wurde kaum geübt, und im Studio haben die Aeronauten auch nicht gerade viel Zeit verbracht.

Doch was dabei herauskam, ist ein Knaller und Fall für die berühmten Charts einer gerechteren Welt: Noch immer steht die Musik in der ruppigen Garagen-Punk-Tradition von Serious Drinking und den Milkshakes – auch wenn instrumentale Könnerschaft durchblitzt und ein Dutzend weiterer Genres anklingen. Großartig auch die Texte: „Die sind meist sehr direkt, im Prinzip normal erlebtes Leben“, sagt Olifr, der in Bandinfos gerne mal ein erfundenes Fremdwort unterbringt, aus Spaß. „Der Humor soll eine Einladung sein, aber er darf nie die eigentliche Geschichte überlagern.“

Wer sich wundert, dass auf dem Cover den Schnarchnasen Elfriede Jelinek und Günter Grass für „inhaltliche Anregungen“ gedankt wird, bekommt die Antwort im Song „Holzfällen“: „Hey Literaten, ab in die Karpaten! Und dann heißt es Holzfällen, ja, dann heißt es Holzfällen.“ Dazu werden im Vordergrund Schrammelgitarren und im Hintergrund „Huhaa-Huhaa“-Chöre gereicht. Perfekt. Der Genosse Stalin hätte milde gelächelt.

Wer sein Herz einmal einem Huah!-Song geschenkt hat und für die (frühen) Tocotronic schwärmt, sollte dieses Album kaufen. Sonst kommt doch noch der böse John McEntire und macht Post-Rock aus dieser herrlich unintellektuellen Pop-Band.

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