Lou Doillon – Eisberg, aufgetaucht

"Ich liebe Patti Smith - und das Universum von Pete Doherty." Victor Hugo, Baudelaire und die englischen Romantiker sind weitere künstlerische Vorbilder, deren Namen nur so aus Lou Doillon heraussprudeln. Ihre Gemeinsamkeit: sich nicht auf ein Medium zu beschränken. Den besten Weg, ihr eigenes Ich auszudrücken, hat sie selbst erst ziemlich spät gefunden.

In ihrer Model- und Schauspielkarriere, aber auch in ihrem Privatleben war die 30-Jährige in einer Sackgasse angelangt. Sie sah sich eher kurz vor dem Ruhestand als am Anfang einer neuen Karriere. „Ich wurde immer einsamer und verbrachte mehr und mehr Zeit damit, Gitarre zu spielen oder zu zeichnen. Ich konnte gar nicht mehr richtig kommunizieren. Weil ich aus einer sehr erfolgreichen Familie komme, wurde es immer schwieriger, Zeuge der Erfolge anderer zu sein.“

Ihre Mutter Jane Birkin, aus deren zweiter Ehe mit dem französischen Regisseur Jacques Doillon Lou stammt, war es schließlich, die ihre Tochter aus dem stillen Kämmerlein ins Aufnahmestudio schickte. „Sie war befreundet mit Étienne Daho, der auch ein Freund meiner Schwester (Charlotte Gainsbourg) ist. Er erzählte mir, dass er Angst vor mir hatte und sich mich – wie alle anderen -als Jetsetter, Kokainsüchtige und It-Girl vorgestellt hatte. Ich zeigte ihm also mein Haus, meine Songs, Zeichnungen und Tagebücher. Er sagte: „Du bist wie ein Eisberg. Du hast uns bisher das am wenigsten Interessante an dir gezeigt. Das Beste von dir liegt unter Wasser. Wieso zeigst du uns das nicht?“

Der französische Popkünstler übernahm dann die Arrangements und die Produktion für das Album „Places“. Er sorgte auch dafür, dass der Kontrast zwischen Uptempound Downtempo-Songs richtig zur Geltung kam. „Make A Sound“, das autobiografischste Stück auf dem Album, wurde so zum Country-Schunkler, der viel fröhlicher klingt als das, was Lou mit ihrer rauchig warmen Stimme erzählt. Daho übersetzte Lous Vorstellungen in musikalische Vokabeln, bewahrte ihre Songideen als Rohdiamanten und baute außen herum „den elegantesten Ring“, wie sie selbst es beschreibt. Außerdem hatte er die Lösung für das Titelstück, für das ihr einfach kein Refrain einfiel. Die Antwort war eine Beschleunigung von dunklen Klavier-Akkorden und eindringlichem Flüstern zum atemlosen Tasten-Stakkato und Break -eine Steigerungsform, die man auch auf Patti Smiths Debütalbum „Horses“ findet.

Neben französischen Chansons im Pop-Gewand und Leonard Cohen gehört Patti Smith natürlich zu den hörbaren Einflüssen. Rockmusik sind die Stücke auf „Places“ allerdings nicht – dafür müsste Lou Doillon die Contenance verlieren. Dennoch hinterließ die Urmutter des weiblichen Rock’n’Roll einen starken Eindruck auf sie: „Meine Mutter war bekanntlich eine berüchtigte Muse für Männer. Wenn man sie heute fragt, wird sie einem erzählen, dass sie das Glück hatte, drei Genies zu begegnen, die so nett waren, sie eine Zeit lang zu lieben. Sie wurde von Männern gefilmt und sang, was Männer ihr vorgaben. Als Teenager habe ich mich nicht damit identifiziert. Und hier kommt Patti Smith ins Spiel: Tatsächlich bin ich weniger fasziniert von ihrer Musik als von ihr als Frau, die nicht jeden Bullshit über angeblich weibliches Verhalten glaubte.“

Das Zerrissensein zwischen weiblicher Unabhängigkeit und der Sehnsucht nach romantischer Liebe ist auch das Hauptthema des Albums. „Wir sind eine seltsame Generation von Frauen.“

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