Lüg mich nicht an

Die Zeitlupentöner Low rufen zu „intimem Optimismus“ auf – eher schlecht gelaunt.

Verstohlen schweift Alan Sparhawks Blick über die Dächer der Kleinstadt, dann zurück in die Kamera. Die Einstellung entstammt der Dokumentation „You May Need A Murderer“ über die Band Low, jenem Trio, das Sparhawk 1993 mit Ehefrau Mimi Parker in Duluth, Minnesota gründete. Andere Szenen gewähren Einblicke in die Themen, um die Sparhawks sonischer Zeitlupen-Country-Pop auf den letzten, düsteren Platten kreisten: Mormonentum, Familie, George W. Bush und der Krieg im Irak.

Das neunte Studioalbum „C’mon“ enthält dagegen einen verhaltenen Aufruf zum „intimen Optimismus“, wie Sparhawk es ausdrückt. „C’mon, ich habe keine Ahnung, wo’s langgeht, aber ich werde mit dir kommen. Oder konträr dazu: C’mon, lüg mich nicht an!“ – dieses beiden Deutungen des Titels bietet Sparhawk an. „Persönlich und zerbrechlich“ sollte das Album klingen, warm und euphorisch ist es geworden. Die Devise des Songschreibers: „Ich wollte zu Individuen sprechen, zu den Menschen, die ich liebe. Der Rest der Leute wird sowieso niemals zuhören.“

So verdrossen klang er nicht immer. Anders als viele seiner Landsleute stimmt ihn die bloße Tatsache des Regierungswechsels von Bush zu Obama nicht milde. Zu gefährlich sei das Erbe Bushs, zu hilflos die Versuche Obamas, ein gesellschaftliches Umdenken zu bewirken: „Der politische Umgangston ist von Hass geprägt. Viele Leute beharren stur auf ihrem Standpunkt. Es gibt keine Debatte mehr. Als ich aufwuchs, war das besser. In der Schule haben die Lehrer von einer neuen Gesellschaft gesprochen und uns beigebracht, was Grundrechte wirklich bedeuten. Eine Weile hat das funktioniert, aber die Bush-Ära hat alles wieder kaputt gemacht. Man sollte doch annehmen, dass die Leute endlich aufwachen, aber das geschieht nicht. Diese Tatsache ist für mich schockierender als der Krieg. Für mich war es schwer, eine Sprache zu finden, in der man über all das singen kann“, so Sparhawk. Gefunden hat er sie auf dem letzten Album, „Drums And Guns“.

„C’mon“ ist nun die Fortführung, ein Aufbruch. Wieder nahm die Band in einer Kirche auf, zu deren Gemeinde auch die Familie Sparhawk-Parker gehört. „Die Kathedrale hat einen ganz eigenen Klang, den man entweder nutzen oder zerstören kann“, meint Sparhawk. Das Einzige, was im Low-Universum überrascht, sind die zehn Songs des Albums – anstatt der sonst üblichen 13, einer Zahl, hinter der man immer ein Anzeichen für Sparhawks Aberglauben vermuten konnte. „Wir sind religiöser, als die meisten Leute wahrhaben wollen“, sagt er ernst, dabei ist ihre Frömmigkeit bekannt. „Als Mimi und ich geheiratet haben, meinten einige, das sei das Ende meiner Kreativität. So etwas zu behaupten, ist dumm.“ Ob das Experiment Low glücken kann? Der Film „You May Need A Murderer“ weckte gewisse Zweifel. „C’mon“ lässt den Ausgang vollkommen offen.

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