Magnolia Electric Co. – Josephine

Die elegischen Gitarren-Epen des genialischen Außenseiters Jason Molina

Ein Cover, auf dem nur der Band-Name steht. Oder ein Cover, auf dem nur der Plattentitel steht. Anstelle eines Booklets: ein Zettel. Die Songtitel und Musiker-Namen in schlamperter Handschrift. Etwaige Lyrics in Kladde hingeworfen. Und der Band-Name mal so, mal so geschrieben.

Das ist, auf das Sichtbare verkürzt, die Strategie des Songschreibers Jason Molina, seit er in den 90er Jahren mit Songs:Ohia hervortrat: geheimnisvolle, betörende Folk-Songs, die sich immer mehr auf den elektrischen Neil Young zubewegten, woraufhin Songs: Ohia im Jahr 2003 fast unmerklich in Magnolia Electric Co. übergingen, die zunächst sogar einige Stücke der Vorgänger übernahmen. Es war ja immer Jason Molina mit Musikern. Der nirgendwo je – und vor allem nicht in den USA – großflächig porträtierte Solitär lebt in Chicago, lässt seine Platten schnell und unspektakulär von Steve Albini aufnehmen, geht manchmal auf Tournee mit ein paar Kollegen, die es bestimmt nicht fürs Geld tun.

Anders als Bill Callahan, Sparklehorse, Vic Chesnutt, Will Oldham, Calexico und Lambchop wird Molina auch nicht in Europa als verstecktes Genie gefeiert; Magnolia Electric Co. kommen nur in den Rezensionsteilen der Musikzeitschriften vor. Der Begriff „independent“ erfasst heute Gossip und The Kills, noch immer Sonic Youth und Yo La Tengo, sogar die Yeah Yeah Yeahs und die White Stripes. Jason Molina ist ein Niemand.

Kaum jemand nutzt die absolute Freiheit so konsequent wie er. Zwei, drei Platten in einem Jahr hat es schon gegeben. Eine EP zwischendurch, darunter eine Fassung von Warren Zevons „Werewolves Of London“. Eine Holz-Box mit vier Alben und einem Film. Molina liebt hörbar einige amerikanische Musiker, er hat auch schon einmal in Nashville aufgenommen, er könnte ein Elvis Costello sein. Aber immer wieder spielt er diese strengen, ernsten, naturschönen Gitarren-Epen von glasklarer Reinheit.

Auf „Josephine“ hat Molina nun einige Instrumente ergänzt: Dobro und Lap-Steel-Gitarre aus der Country-Musik, die ihm nah ist, aber auch Mellotron und Saxofon. Verwendet heute kaum jemand außerhalb von Jazz und Prog-Rock. Aber die Songs fließen wieder so dahin, Molina singt zugleich traumverloren und hellwach. Die Stücke heißen meistens so, wie Songs vor hundert Jahren betitelt wurden: „O! Grace“, „Shenandoah“, „Shiloh“, „Whip-Poor-Will“. Der Western ist da, die Weite, der Horizont. Aber kein Outlaw Pete braust hier auf seinem Motorrad, und man denkt auch niemals an das verschwundene Paradies und die letzten Büffel, wie Neil Young es in seinem Werk tut. Magnolia Electric Co. haben – wie die Cowboy Junkies – ihre Welt in sich selbst, sie lassen sich so wenig beeindrucken wie Gläubige der Zeugen Jehovas.

Diese Lieder vertragen keine Elogen, und der Mann will keinen Beifall. Er ist auf einer langen Pilgerschaft, erkundet den Mittelwesten, schreibt Lieder, wie andere sich Notizen in einem Büchlein machen. Molina ist aber auch kein Download-Typ, seine schlicht ausgestatteten Alben (am besten als Vinyl-Platten) muss man sammeln, anfassen, sortieren. Weil seine Musik so ephemer ist, vorbeifliegt, keine Inszenierung hat: Sie ist nur als Fortschreibung zu begreifen.

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