Mal ein bisschen vom Weg abkommen

Die besten Ideen hat die Songwriterin Tracy Bonham, wenn sie vom Mainstream-Rock abweicht und eher auf ihren trockenen Humor hört

Manchmal macht das Leben mit einem einfach das, was es will. Drückt einen beispielsweise auf die Couch und zwingt zur Untätigkeit. Bei Tracy Bonham war es so, und die energische US-Sängerin wäre fast wahnsinnig geworden. Ihr zweites Album war schon fertig, da legte ihre Plattenfirma sie erst einmal auf Eis. Noch heute wird Bonham wütend, wenn sie darüber nachdenkt: „Der verdammte Firmenzusammenschluss war schuld. Alles wurde aufgeschoben. Zumindest wurde ich ja nicht gedroppt, also sollte ich mich wohl nicht beschweren.“

Ein kehliges Lachen folgt, und die Erkenntnis: ,Jetzt freue ich mich umso mehr, dass ich es geschafft habe.“ Monatelang ging Tracy immer mal wieder mit ein paar neuen Ideen ins Studio, wartete im Grunde aber nur auf die Veröffentlichung von „Domi Here“. Zu Langeweile und Verdruss kam nun noch die Angst, dass dieses Album nicht so gut ankommen könnte wie das 96er Debüt „The Burdens Of Being Upright“, das ihr dank „Mother, Mother“ gar einen Hit einbrachte.

Tracy fiel fast der Paranoia anheim: „Man muss immer über die Schulter gucken, weil man dauernd den Atem der Company im Nacken hat. Die wollte wohl, dass ich jetzt ,Father, Father‘ schreibe oder so. Aber das ging dann doch nicht.“ Ganz im Gegenteil, die „Burdens“-Lieder sind ihr heute beinahe peinlich, weil sie „so unreif mit den Themen Ex-Freund und Familie umgingen“. Der erste Song auf „Down Here“ heißt „Freed“ – ein Gefühl, das jede Minute ihres Albums bestimmt. „Wahrscheinlich kämpft jeder ein Leben lang darum, aus Zwängen auszubrechen. Ich finde, ich habe es ganz gut hinbekommen“, sagt Tracy stolz und muss wieder lachen. „Aber ich möchte nicht zu salbungsvoll klingen. Die meisten meiner Songs sind ja einfach nur Alltagsbeobachtungen.“ Mit ihrer aktuellen Single „Behind Every Good Woman“ nimmt sie die „Gesellschaft, in der immer noch hauptsächlich die Männer den dicken Max abziehen“

aufs Korn. „Im Video konnte ich mal so richtig das sexistische Schwein spielen und die Männer zu Objekten degradieren. Das hat Spaß gemacht!“

Wenn sie vom Mainstream-Rock abweicht und eher auf ihren trockenen Humor hört, hat Tracy Bonham ohnehin die besten Ideen. Der Song „You Can’t Always Not Get What You Don’t Want“ liegt ihr deshalb besonders am Herzen. „Der hat was von Strawinsky, oder? Ich komme gerne ein bisschen vom Weg ab, das macht das Album zu etwas Besonderem. Da stutzen die Leute hoffentlich ein bisschen.“ Nachdem sie bisher vor allem Gitarre spielte, kommt auf „Down Here“ mehr und mehr die Geige zum Tragen.

Bonham hat eine klassische Ausbildung genossen, aber keine Lust, damit anzugeben. „Ich dachte lange, dass die Violine nicht zu meinem Rocksound passt. Bei vielen Bands klingen die Streicher bloß wie Zuckerguss, der auf die Songs gepappt wird, ohne sich mit ihnen zu verbinden. In diese Falle wollte ich auf keinen Fall tappen.“

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates